Nachfolgend ein Beitrag vom 19.6.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 12/2017 Anm. 3
Leitsatz
Auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer haftungsbeschränkten UG hat der Geschäftsführer der Gesellschaft eine Änderung der Vertretungsverhältnisse oder der Geschäftsanschrift der Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden. Unterlässt er die Anmeldung, kann eine Zwangsgeldfestsetzung gerechtfertigt sein.
A. Problemstellung
Das OLG Hamm befasst sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Problematik, ob der Geschäftsführer einer GmbH/UG (haftungsbeschränkt) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Änderung der Vertretungsverhältnisse oder der Geschäftsanschrift der Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister anzumelden bzw. wer die Kosten hierfür zu tragen hat. Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Verpflichtung der Geschäftsführung besteht und sieht auch die Möglichkeit, bei unterlassener Anmeldung eine Zwangsgeldfestsetzung durchzuführen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Gericht sieht die nach den §§ 391 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin gegen eine Zwangsgeldfestsetzung wegen unterlassener Anmeldung als unbegründet an, da die gemäß § 389 Abs. 1 FamFG erfolgte Zwangsgeldfestsetzung nicht zu beanstanden sei.
Der Beteiligte habe die durch ihn als Geschäftsführer der G UG (haftungsbeschränkt) nach den §§ 13 Abs. 3, 5a Abs. 1, 78 GmbHG i.V.m. den §§ 6 Abs. 1, 31 Abs. 1 Alt. 4 HGB, §§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 39 Abs. 1 GmbHG dem Amtsgericht in der gesetzlich vorgesehenen Form mitzuteilende Änderung der Geschäftsanschrift als auch der Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft nicht angemeldet, obwohl er hierzu als deren Geschäftsführer verpflichtet gewesen sei. Diese Verpflichtung sei auch nicht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der UG entfallen. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde die Fähigkeit eines Schuldners oder seiner Organe, in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufzutreten, nicht berührt. Zwar sei der Insolvenzverwalter für die Anmeldung solcher Angelegenheiten befugt und ggf. auch verpflichtet, wenn diese im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Rechte zur Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse einträten. Etwas anderes gelte aber für Anmeldungen, die die Insolvenzmasse nicht unmittelbar berührten. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter über. Die Organe der Gesellschaft und insbesondere die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers bleiben jedoch unberührt. Sei der durch das Insolvenzverfahren nicht verdrängte gesellschaftsrechtliche Bereich berührt, blieben sämtliche gesellschafts- und registerrechtlichen Pflichten weiterhin beim Gesellschafter bzw. beim Geschäftsführer.
Die im vorliegenden Fall streitigen Fragestellungen der Vertretungsverhältnisse sowie der inländischen Geschäftsanschrift betreffen nur die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft und nicht die Insolvenzmasse, weshalb die Erfüllung der Anmeldungsverpflichtung allein dem Geschäftsführer auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens obliege. Soweit das OLG Schleswig (Beschl. v. 09.06.2010 – 2 W 90/10) davon ausgegangen sei, dass nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Anmeldung entbehrlich sei, da etwaige Gläubiger aus der Eintragung des Insolvenzverfahrens im Handelsregister und den einschlägigen Internetportalen über alle Daten, auch die Anschrift des gemäß § 80 InsO über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin verfügungsbefugten Insolvenzverwalters informiert seien, folgt dem der erkennende Senat des OLG Hamm nicht.
Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Beteiligten als Geschäftsführer der Gesellschaft sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vollständig, sondern nur hinsichtlich des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögens der Gesellschaft entfallen. Für die Anmeldung zur Änderung der Geschäftsanschrift der Gesellschaft bestehe darüber hinaus ein praktisches Bedürfnis, etwa soweit es um die Durchsetzung möglicher nichtvermögensrechtlicher Ansprüche gegenüber der Gesellschaft, z.B. von Unterlassungsansprüchen, gehe.
Soweit der Geschäftsführer im Verfahren eingewandt habe, er sehe sich außer Stande, da er keine Kosten für die Insolvenzschuldnerin auslösen dürfe, er also ohne Verschulden an der Nichterfüllung der Verpflichtung gehindert sei, folgt das Gericht auch dieser Argumentation nicht. Die in § 39 Abs. 1 GmbHG geregelte Anmeldung stelle eine Pflicht der Gesellschaft dar, deren Erledigung nach § 78 GmbHG den Geschäftsführern obliege. Gleiches gelte für die Anmeldung der geänderten Geschäftsanschrift. Die Anmeldung erfolge daher stets im Namen der Gesellschaft, die entsprechend nach § 22 GNotKG mit den Kosten der Anmeldung zu belasten sei. Diese sei nach Insolvenzeröffnung der Gesellschaft aus Mitteln der Masse zu bestreiten. Auch könne sich der Beteiligte nicht mit Erfolg auf ein etwaiges Unvermögen der Masse zur Übernahme der mit der Anmeldung verbundenen Kosten berufen. Das Oberlandesgericht meint vielmehr, es sei dem Geschäftsführer zuzumuten, die mit der Anmeldung in Zusammenhang stehenden Kosten für die Gesellschaft zu verauslagen, sofern die Erfüllung der Pflicht von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werde. Das gelte insbesondere, da sich der Wert für die Anmeldung der Änderung einer Geschäftsanschrift bei einem Geschäftswert von 5.000 Euro (§ 105 Abs. 5 GNotKG) auf eine Gebühr von lediglich 30 Euro (Entwurf einer Handelsregisteranmeldung einschließlich Unterschriftsbeglaubigung) und für die Anmeldung der Abberufung eines Geschäftsführers bei einem Gegenstandswert von 30.000 Euro (§ 105 Abs. 4 Nr. 1 GNotKG) auf höchstens 62,50 Euro (Unterschriftsbeglaubigungen mit Entwurf) belaufe. Dass ein Geschäftsführer, der diese Kosten für die Gesellschaft verauslagt habe, seinen ihm gegenüber der Gesellschaft bzw. der Insolvenzmasse hierdurch entstehenden Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB wegen der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft möglicherweise nicht vollumfänglich realisieren könne, erscheine mit Blick auf die exponierte Stellung, die er als Geschäftsführer innehabe, gerechtfertigt.
Es könne außerdem dahinstehen bleiben, ob die Verhängung eines Zwangsgeldes überhaupt eines Verschuldens bedürfe. Im vorliegenden Fall sei dies jedenfalls zu bejahen, da das Ausscheiden der weiteren Geschäftsführerin und die Änderung der Gesellschaftsanschrift bereits längerfristig vor Eintritt der Insolvenzreife bestanden habe und insofern auch vorinsolvenzlich hätte angemeldet werden können und müssen. Da der Geschäftsführer seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe das Amtsgericht dem Beteiligten am 19.09.2016 gemäß § 388 Abs. 1 FamFG eine Zwangsgeldfestsetzung angedroht. Die Festsetzung des Zwangsgelds in Folge sei daher nicht zu beanstanden.
C. Kontext der Entscheidung
In einigen Punkten mutet die Entscheidung des OLG Hamm zunächst befremdlich an. Während das Fortbestehen bestimmter Pflichten der Geschäftsführung auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch als weitgehend unstreitig gelten kann, begibt sich das Oberlandesgericht bei der hiesigen Beurteilung einer Verpflichtung zur Abgabe einer entsprechenden Anmeldung und den entsprechenden Kostenfolgen für die Masse sowie für die Geschäftsführung soweit ersichtlich auf juristisches Neuland. Spätestens bei der Frage der Kostentragungsverpflichtung gerät die Entscheidung dogmatisch „ins Stolpern“. Es mag richtig sein, dass der Geschäftsführer auch nach Eröffnung zur Anmeldung einer geänderten Geschäftsanschrift verpflichtet ist. Diese Verpflichtung erfüllt er nach dem Verständnis des OLG Hamm primär für und auf Kosten der Insolvenzmasse. Dass dies ohne Einbindung des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren möglich sein soll, also eine „neue“ Art von Masseverbindlichkeiten entsteht, die weder vom Insolvenzverwalter durch eigenes Handeln begründet wird, noch als oktroyierte Masseverbindlichkeit vom Gesetz „hochqualifiziert“ wird, lässt sich nur schwerlich mit dem Verständnis der Abgrenzung von Masseverbindlichkeit, insolvenzfreiem Vermögen und Insolvenzforderung vereinbaren.
Man wird wohl zu diesem Ergebnis gelangen können, wenn man auch den Insolvenzverwalter für verpflichtet hält, an einer entsprechenden Eintragung mitzuwirken; ohne eine derartige Verpflichtung dürfte jedoch eine Masseverbindlichkeit kaum dogmatisch nachvollziehbar entstehen können. Dass man den Geschäftsführer sodann aus Treuepflichterwägungen und gesteigerten Verantwortlichkeiten für verpflichtet hält, in Anbetracht der relativ geringen Höhe der zu verauslagenden Kosten persönlich „ins Risiko“ zu gehen, etwa im Fall einer Masseunzulänglichkeit mit seinem Kostenersatzanspruch ganz oder teilweise auszufallen, ist hingegen wieder dogmatisch nicht zu beanstanden.
Im konkret entschiedenen Fall kommt außerdem die Pflichtverletzung des Geschäftsführers noch vor Insolvenzeröffnung hinzu, die ihn bereits aufgrund Verletzung einer Geschäftsführerverpflichtung zum Schadensersatz verpflichten dürfte.
Unter diesem Gesichtspunkt verdient die Entscheidung im Ergebnis Zustimmung.
D. Auswirkungen für die Praxis
In welche Kategorie von Masseverbindlichkeiten Kosten für die Sitzverlegung bzw. die entsprechende Umschreibung der aktuellen Vertretungsorgane eines Insolvenzschuldners nach Eröffnung einzustufen sind, wird die weitere Rechtsprechungspraxis zeigen müssen. Ob sich die Entscheidung des OLG Hamm hier durchsetzt, kann zumindest nicht als sicher vorausgesagt werden. Momentan dürfte Verwaltern angeraten sein, vorsorglich eine Massekostenposition für die eventuell entstehenden Eintragungskosten vorzumerken.