Nachfolgend ein Beitrag vom 27.3.2017 von Hölken, jurisPR-InsR 6/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft kann in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden.
2. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters, welcher der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, kann dem Nachrangeinwand des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Gesellschaft nicht den Gegeneinwand entgegenhalten, die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens sei als unentgeltliche Leistung anfechtbar.

A. Problemstellung

Durch das MoMiG wurden die Regelungen zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft grundlegend reformiert. Wiederholt stellt sich die Frage, inwieweit Wertungen des früheren Eigenkapitalersatzrechts weiterhin Geltung beanspruchen können. Vor diesem Hintergrund hatte der BGH zu entscheiden, ob Gesellschafterdarlehen per se als unentgeltliche Leistungen des Gesellschafters zu beurteilen sind und damit der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Tochtergesellschaft, der Kläger Insolvenzverwalter über das Vermögen von deren Mehrheitsgesellschafterin. Der klagende Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft meldete beim Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft eine Darlehensrückforderung i.H.v. 80.000 Euro zur Tabelle an.
Die Muttergesellschaft hatte ihrer Tochtergesellschaft 2005 zwei Darlehen i.H.v. 50.000 Euro und 30.000 Euro gewährt. Daher handelte es sich bei diesen Darlehen unstreitig um Gesellschafterdarlehen.
Entsprechend widersprach der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft der Forderungsanmeldung unter Berufung auf die Nachrangigkeit der angemeldeten Forderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Gegen diesen Einwand der Nachrangigkeit machte der Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft wiederum die Anfechtbarkeit der Leistung im Wege einer Gegeneinrede nach § 146 Abs. 2 InsO geltend. Das Darlehen sei gewährt worden, als sich die Darlehensgeberin bereits in der Krise befunden habe und sei deshalb als unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO anfechtbar.
Die Vorinstanzen hatten die Klage des Insolvenzverwalters der Muttergesellschaft in Bezug auf diese Rechtsfrage abgewiesen. Die Revision beim BGH hatte keinen Erfolg.
Gemäß dem nach Art. 103d Satz 1 EGInsO bereits anwendbaren § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO könnten Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft im Rang nur nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger geltend gemacht werden.
Der Kläger könne dem Nachrang nicht als Gegeneinwand die Einrede der Anfechtbarkeit entgegenhalten, weil die Auszahlung der Gesellschafterdarlehen nicht nach § 134 InsO anfechtbar sei. Die Auszahlung der Darlehensbeträge stelle keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO dar.
Im Zwei-Personen-Verhältnis sei Unentgeltlichkeit gegeben, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben werde, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll.
Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht habe der BGH zwar die Unentgeltlichkeit der Gewährung und des Stehenlassens von Gesellschafterdarlehen nach § 134 Abs. 1 InsO bejaht, wenn die Leistung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG erfolgte. Diese Rechtsgrundsätze könnten auf das hier anwendbare neue Recht indes nicht übertragen werden.
Nach einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht stelle die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens im Grundsatz dennoch eine unentgeltliche Leistung dar, weil der Rückzahlungsanspruch durch die Anordnung des Nachrangs in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Insolvenz der Gesellschaft wirtschaftlich entwertet sei.
Es sei aber der Gegenansicht zu folgen, wonach in der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens eine entgeltliche Leistung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft liege, weil – auch bei der Gewährung unverzinslicher Darlehen – der bestehende Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 BGB der Annahme einer Unentgeltlichkeit der Leistung entgegenstehe. Die Abwertung des Rückzahlungsanspruchs beschränke sich ausschließlich in tatsächlicher und zeitlicher Hinsicht auf Fälle, in denen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet werde.
Auch die gesetzliche Systematik biete keine Grundlage für eine insolvenzrechtliche Bevorzugung von Gesellschafterdarlehen im Fall einer Doppelinsolvenz, da die Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Unterschied zur früheren Regelung nicht mehr auf Rechtshandlungen beschränkt sei, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt haben, in denen die Befriedigung der Gesellschafter mithin ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach, sondern nach der Neuregelung lediglich zeitlich begrenzt werde.

C. Kontext der Entscheidung

Der BGH hat konsequent das seit dem MoMiG geltende Recht angewandt und einer über den Wortlaut hinausgehenden, von einer an die Regelungen des zuvor geltenden Eigenkapitalersatzrechts geprägten Auslegung eine Absage erteilt. Diese Entscheidung ist sehr zu begrüßen, stünde eine weite Auslegung, wie sie in der Literatur vermehrt gefordert wird, doch im Widerspruch zu Sinn und Zweck der neuen Regelungen. Durch die von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordnete Nachrangigkeit aller Gesellschafterdarlehen unabhängig vom Zeitpunkt der Gewährung und einer etwaigen Krise der Gesellschaft wurde die Handhabung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft erheblich vereinfacht und auf eine rein insolvenzrechtliche Basis gestellt.
Nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht war die Unentgeltlichkeit der Gewährung und des Stehenlassens von Gesellschafterdarlehen nach § 134 Abs. 1 InsO gegeben, wenn die Leistung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG erfolgte. Der durch die Überlassung kapitalersetzender Mittel bewirkte Rangrücktritt des Anspruchs auf Rückzahlung, der in der Insolvenz in aller Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge habe, werde ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt.
Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur (zu Literaturhinweisen vgl. Rn. 17 des Besprechungsurteils) sah die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens im Grundsatz weiterhin als eine unentgeltliche Leistung an. Der Rückzahlungsanspruch sei durch die Anordnung des Nachrangs in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Insolvenz der Gesellschaft wirtschaftlich entwertet. Mit überzeugenden Argumenten ist der BGH dieser Ansicht entgegengetreten.
Schließlich lag nach zutreffender Ansicht der Grund der Unentgeltlichkeit des kapitalersetzenden Darlehens darin, dass die Gesellschaft nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Darlehensrückzahlung verweigern konnte. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ist § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nun aber ausdrücklich nicht mehr anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Aufgrund dieses entscheidenden Unterschieds kann die Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nicht auf das geltende Recht übertragen werden.
Daher hat der Darlehensgeber im Grundsatz einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme einschließlich etwaiger Zinsen. Dieser Anspruch wird allenfalls durch den Nachrang des Gesellschafterdarlehens in der Insolvenz der Gesellschaft nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wirtschaftlich wertlos. Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen steht zur Unternehmensfinanzierung indes auf der Tagesordnung, und nicht jede Gesellschaft gerät in die Insolvenz. Daher kann nicht allein aufgrund der etwaigen Nachrangigkeit in der Insolvenz der Gesellschaft jedem Gesellschafterdarlehen dessen Werthaltigkeit abgesprochen werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung ist die erste Entscheidung des BGH zur Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen nach § 134 InsO seit Inkrafttreten des MoMiG und hat daher eine erhebliche Bedeutung für die Insolvenzpraxis. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen nach § 134 InsO in der Literatur stark umstritten ist, ist der Zugewinn an Klarheit sehr zu begrüßen (zum Streitstand mit Literaturhinweisen vgl. Rn. 17 ff. des Besprechungsurteils).
Gesellschafterdarlehen unterliegen nach dem Urteil ausdrücklich nicht der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO. Es kommt daher regelmäßig nur noch eine Anfechtung nach § 133 InsO in Betracht.
Der BGH hätte darüber hinaus aber etwas klarer ausdrücken können, dass eine Werthaltigkeit des Gesellschafterdarlehens auch dann besteht, wenn das Darlehen zinslos gewährt wurde.
Dazu führt der BGH aus, die Ausreichung eines Darlehens sei grundsätzlich ein entgeltliches Geschäft, weil der Darlehensvertrag den Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichte, einen vereinbarten Zins zu zahlen, jedenfalls aber das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Handele es sich nach diesen Grundsätzen um ein entgeltliches Geschäft, könne die von dem Schuldner erbrachte Zuwendung nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden, weil die Gegenleistung ausgeblieben ist. Die Formulierung, dass der Darlehensnehmer jedenfalls das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen habe, deutet zwar recht eindeutig darauf hin, auch bei zinslosen Darlehen keine Unentgeltlichkeit anzunehmen. Die Entgeltlichkeit kann allerdings kaum allein über den Rückzahlungsanspruch begründet werden. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist nach dem BGH Unentgeltlichkeit gegeben, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Der Vermögenswert liegt bei einem zinslosen Darlehen in der Verfügungsgewalt über die Darlehenssumme für die Dauer der Darlehensgewährung. Werden für diese Leistung keine Zinsen verlangt, liegt zunächst keine Gegenleistung des Darlehensnehmers und damit Unentgeltlichkeit vor. Durch die Gewährung des Gesellschafterdarlehens wird indes der Wert der Unternehmensbeteiligung des Gesellschafters erhöht. Insoweit verfolgt der Gesellschafter wirtschaftliche Eigeninteressen, die einer Behandlung des Darlehens als unentgeltlich entgegenstehen.