Leitsatz:

Wer persönlich haftender Gesellschafter i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist, bestimmt sich nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen.

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 3. Juli 2013 8 K 2647/06 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 2002 gegründete GbR. Gesellschafter sind die vermögensmäßig nicht beteiligte X-AG (AG), die keine Einlage zu leisten hat, sowie die Herren A mit einer Bareinlage von zunächst 499.000 € und B mit einer Bareinlage von 1.000 €. Zweck der Gesellschaft ist nach § 3 des Gesellschaftsvertrags (GV) der Aufbau, die Verwaltung, die Nutzung und die laufende Umschichtung eines Wertpapier-Portfolios. Die Geschäfte der Klägerin sollten ausschließlich durch die AG geführt werden (§ 14 Abs. 1 GV).

2

Zur Haftung heißt es in § 13 GV:

„(1) … Die AG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt.

(2) … Die Haftung anderer Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten erfolgt gemäß § 14 Abs. 3 dieses Vertrages durch entsprechende Individualvereinbarungen, die die AG bei allen Rechtsgeschäften mit Dritten vornimmt.“

3

§ 14 Abs. 3 GV lautet:

„… Die AG ist verpflichtet, eine Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen für die übrigen Gesellschafter durch entsprechende Individualvereinbarungen bei allen Rechtsgeschäften mit Dritten zu vereinbaren und sicherzustellen sowie auf die Haftungsbeschränkung in geeigneter Form hinzuweisen. Ihre eigene Haftung darf die AG jedoch nicht beschränken.“

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Für die Übernahme der unbeschränkten Haftung und der Vermögensverwaltung erhielt die AG einen Betrag von 1.000 € jährlich.

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Im Dezember 2002 eröffnete die Klägerin bei der Y-Bank ein Wertpapierverrechnungskonto und ein Depotkonto. In einer Zusatzvereinbarung zum Kontovertrag heißt es:

„Für die Verbindlichkeiten der <Klägerin> haften das Gesellschaftsvermögen der <Klägerin> sowie die unterzeichnende <AG> mit ihren eigenen Vermögen. Eine Inanspruchnahme anderer Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten ist ausgeschlossen. Diese Klausel gilt ggü. der Y-Bank lediglich im Zusammenhang mit der Eröffnung des Wertpapierverrechnungskonto … und dem Depotkonto … . Für darüber hinaus gehende Verträge gilt diese Haftungsfreistellung ausdrücklich nicht.“

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In einem Schreiben vom Juli 2005 führte die Y-Bank aus, dass diese Klausel sämtliche banküblichen Geschäfte (u.a. Eröffnung, Auflösung, Wertpapierkäufe und -verkäufe) umfasse, die im Zusammenhang mit dem Depot- und dem Wertpapierverrechnungskonto stünden; für darüber hinausgehende Kontoneueröffnungen gelte die Haftungsfreistellung ausdrücklich nicht. Die Y-Bank sei seit der Eröffnung der beiden Konten insoweit sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis von einer Haftungsfreistellung der einzelnen GbR-Gesellschafter ausgegangen.

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In der Feststellungserklärung für das Streitjahr (2002) erklärte die Klägerin einen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Verlust für den Zeitraum vom 19. bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe von … €, der im Wesentlichen aus der Anschaffung von Wertpapieren resultierte.

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Mit Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom … August 2003 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € fest.

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Anlässlich einer in 2005 u.a. für das Streitjahr durchgeführten Betriebsprüfung kam der Prüfer u.a. zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handele.

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Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend erließ das FA unter dem … November 2005 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Bescheid, in dem Einkünfte aus Kapitalvermögen (Einnahmen in Höhe von ./. … €, Werbungskosten in Höhe von … €) festgestellt wurden.

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Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom … August 2006 als unbegründet zurück.

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Das Finanzgericht (FG) wies die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage mit Urteil vom 3. Juli 2013 8 K 2647/06 ab.

13

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

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Sie beantragt sinngemäß,

das angegriffene Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom … August 2006 aufzuheben und den Feststellungsbescheid für 2002 vom … November 2005 dahin zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. … € festgestellt und auf die AG in Höhe von … €, auf A in Höhe von ./. … € und auf B in Höhe von ./. … € verteilt werden.

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Das FA beantragt sinngemäß,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe:

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I. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung erachtet der Senat nicht für erforderlich. Zwar hat die Klägerin, nachdem der Senat im anhängigen Revisionsverfahren einen Gerichtsbescheid erlassen hat, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt (§ 90a Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO). Eine Entscheidung nach § 126a FGO ist jedoch auch nach Erlass eines Gerichtsbescheides zulässig, wenn -wie vorliegend- die Beteiligten hierzu gehört worden sind (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21. Oktober 2010 IV R 6/08, m.w.N.).

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II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Zu Recht sind FA und FG davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitjahr 2002 Einkünfte aus Kapitalvermögen und keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

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1. Die Klägerin erzielt keine originär gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Da dies auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.

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2. Die Klägerin erzielt aber auch keine gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG, denn sie ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft.

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a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG ist Voraussetzung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft u.a., dass ausschließlich Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und zur Geschäftsführung befugt sind. Das ist nicht der Fall, wenn auch andere Personen als eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafter sind.

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aa) Wer persönlich haftender Gesellschafter i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG ist, bestimmt sich nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Denn § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nimmt insoweit auf die Vorschriften des Gesellschaftsrechts Bezug. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz an bestimmte gesellschaftsrechtliche Gestaltungen anknüpft, nämlich daran, dass eine Kapitalgesellschaft einer Personengesellschaft wegen ihrer Stellung als alleinige persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafterin das Gepräge gibt. Die zur Bestimmung dieser Prägewirkung umschriebenen Begriffe müssen daher gesellschaftsrechtlich interpretiert werden (z.B. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84, BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553, und vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523).

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(1) Dementsprechend wurde im Anschluss an die seinerzeit herrschende gesellschaftsrechtliche Auffassung, dass die Haftung eines BGB-Gesellschafters unter bestimmten Voraussetzungen auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden könne (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 12. März 1990 II ZR 312/88), eine GbR, bei der die Haftung der übrigen Gesellschafter entsprechend beschränkt worden war und die danach auch die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllte, als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG angesehen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553; vom 17. Dezember 1992 IX R 7/91, BFHE 170, 497, BStBl II 1994, 492).

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(2) Mit Urteil vom 27. September 1999 II ZR 371/98 (BGHZ 142, 315) hat der BGH allerdings entschieden, es entspreche einem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen hafte, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergebe oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart werde. Die (analog § 128 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs bestehende) persönliche Haftung der Gesellschafter einer GbR könne danach nicht einseitig, etwa durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen zu einer lediglich beschränkten Haftung verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung. Eine solche setze voraus, dass die Haftungsbeschränkung durch eine individuelle Absprache der Parteien in den jeweils einschlägigen Vertrag einbezogen werde (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. Urteile in BGHZ 142, 315; vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; vom 22. Januar 2004 IX ZR 65/01, BGHZ 157, 361; vom 24. November 2004 XII ZR 113/01).

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Gesellschaftsrechtlich kann danach die persönliche Haftung des Gesellschafters einer GbR nicht ausgeschlossen werden. Ein Haftungsausschluss kann nur beim einzelnen Vertragsabschluss mit der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners erreicht werden und wirkt allein für den betreffenden Vertragsabschluss. Die Rechtsstellung als persönlich haftender Gesellschafter der GbR wird davon jedoch nicht berührt. Sie ist vielmehr gerade der Grund dafür, dass es im Einzelfall der Vereinbarung eines Haftungsausschlusses bedarf (so zutreffend Urteil des FG München vom 17. Oktober 2008 11 K 1401/06).

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bb) Nimmt aber, wie dargelegt, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auf die Vorschriften des Gesellschaftsrechts Bezug, ist auch die dargestellte geänderte Rechtsprechung des BGH zu der Frage, ob die Haftung des Gesellschafters einer GbR gesellschaftsrechtlich beschränkt werden kann, bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen. Kann diese persönliche Haftung gesellschaftsrechtlich nicht beschränkt werden, ergibt sich daraus zugleich, dass eine GbR, an der mindestens eine natürliche Person beteiligt ist, keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sein kann, da diese Person persönlich haftet und damit nicht „ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind“. Da es im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG allein auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des Gesellschafters ankommt, d.h. darauf, ob er nach dem Typus der gewählten Rechtsform persönlich haftender Gesellschafter ist, ist unerheblich, ob und ggf. in welchem Umfang seine Haftung individualvertraglich im Einzelfall ausgeschlossen ist (im Ergebnis ebenso z.B. Urteile des FG Hamburg vom 29. Oktober 2008 1 K 56/07; des FG München vom 17. Oktober 2008 11 K 1401/06; des FG Münster vom 19. Mai 2009 8 K 1544/07 F; so jetzt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. März 2014 IV C 6-S 2241/07/10004, 2014/0252207, BStBl I 2014, 555; ferner Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1438; Carlé/Bauschatz in Korn, § 15 EStG Rz 541; Reiß in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 15 Rz 139; Markl/Zeidler in Lademann, EStG, § 15 EStG Rz 261; Schmidt/Wacker, EStG, 35. Aufl., § 15 Rz 227; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 15 Rz 174 f.; Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 277; anderer Ansicht Kauffmann in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 15 Rz 297, 241).

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b) Ausgehend von den dargestellten Rechtsgrundsätzen sind FA und FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handelt. Denn an der Klägerin sind mit A und B zwei natürliche Personen beteiligt, deren persönliche Haftung gesellschaftsrechtlich nicht beschränkt werden konnte. Damit waren bei der Klägerin im Streitjahr nicht „ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter“. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die persönliche Haftung von A und B individualvertraglich vollumfänglich beschränkt war, kommt es daher nicht an. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Finanzverwaltung in vergleichbaren Fällen gewerbliche Einkünfte festgestellt hat. Denn Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und gebietet keine „Gleichheit im Unrecht“ (z.B. BFH-Urteil vom 4. Juli 2012 II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, m.w.N.).

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Die Klägerin erzielte demnach im Streitjahr auch keine gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG, sondern -was zwischen den Beteiligten für diesen Fall weder der Art noch der Höhe nach streitig ist- solche aus Kapitalvermögen.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.