Nachfolgend ein Beitrag vom 24.1.2017 von Podewils, jurisPR-HaGesR 1/2017 Anm. 4
Leitsätze
1. Die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft kann in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden.
2. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters, welcher der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, kann dem Nachrangeinwand des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Gesellschaft nicht den Gegeneinwand entgegenhalten, die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens sei als unentgeltliche Leistung anfechtbar.
A. Problemstellung
Auch wenn die InsO mittlerweile stolze 18 Lenze zählt, wird im allgemeinen Sprachgebrauch jedenfalls nicht ganz selten noch von „Konkurs“ statt von „Insolvenz“ gesprochen. Allerdings hat sich nicht nur durch die Einführung der InsO zum 01.01.1999, sondern auch durch das zum 01.01.2009 in Kraft getretene MoMiG materiell einiges getan. Dies belegt eine aktuelle BGH-Entscheidung zur Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Geringfügig vereinfacht lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Muttergesellschaft, die DM AG, hatte ihrer Tochtergesellschaft (nachfolgend auch Schuldnerin) im Jahr 2005 zwei Gesellschafterdarlehen gewährt. Im Herbst 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der DM AG eröffnet. Ende 2009 fiel schließlich auch die Schuldnerin in Insolvenz.
Vor dem BGH stritten sich die beiden Insolvenzverwalter nur noch um die Frage, ob es sich bei den Darlehensrückzahlungsansprüchen der DM AG gegen die Schuldnerin um nachrangige Insolvenzforderungen handelte oder nicht. Der klagende Insolvenzverwalter der DM AG begehrte nach den §§ 38, 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 InsO die Feststellung, dass die von ihm angemeldeten Ansprüche als einfache Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO zu qualifizieren seien.
Gemäß dem nach Art. 103d Satz 1 EGInsO hier bereits anwendbaren § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, in der Insolvenz der darlehensnehmenden Gesellschaften indes prinzipiell nachrangig. Lediglich ausnahmsweise handelt es sich um eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO, wenn sich der Gläubiger nämlich auf das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO oder das Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO berufen kann. Beide Ausnahmetatbestände waren vorliegend nicht einschlägig.
Der Insolvenzverwalter der DM AG versuchte jedoch, dem Nachrang als Gegeneinwand die Einrede nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenzuhalten. Hiernach kann der Insolvenzverwalter selbst bei Verjährung eines entsprechenden Anfechtungsanspruchs die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, wenn diese auf einer anfechtbaren Handlung beruht. Dies mit dem Argument, bei der seinerzeitigen Darlehensgewährung habe es sich um eine unentgeltliche und damit nach § 134 InsO anfechtbare Leistung der DM AG an ihre Tochtergesellschaft gehandelt.
Der Begriff der unentgeltlichen Leistung nach § 134 InsO entspricht nicht dem der Schenkung i.S.v. § 516 BGB, sondern geht hierüber hinaus (BGH, Urt. v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14 – BGHZ 204, 231 m.w.N.). Den Interessen der Gläubigergesamtheit gebührt grundsätzlich Vorrang vor demjenigen, der durch eine unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners begünstigt worden ist.
Nach Auffassung des BGH ist die Ausreichung eines Darlehens jedoch grundsätzlich als ein entgeltliches Geschäft anzusehen, weil der Darlehensvertrag den Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, einen vereinbarten Zins zu zahlen, jedenfalls aber das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Damit verneinte der BGH eine unentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 InsO, obschon das Darlehen zinslos gewährt worden war.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH hat vorliegend seine bisherige Rechtsprechung zum früheren Eigenkapitalersatzrecht „ante MoMiG“ explizit aufgegeben. Grundlage dieser Judikatur war zunächst, dass Gesellschafterdarlehen nicht per se – wie nunmehr nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – nachrangig waren, sondern nur unter der Voraussetzung, dass das Darlehen in der Krise der Gesellschaft entweder gewährt oder stehengelassen wurde (hierzu BGH, Urt. v. 26.01.2009 – II ZR 260/07 – BGHZ 179, 249; Bitter in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, Anhang § 64 Gesellschafterdarlehen Rn. 1 ff.).
Genau für diesen Fall ging der BGH damals allerdings davon aus, dass damit zugleich eine unentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 InsO vorliege (BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07 – GmbHR 2009, 763 m. Anm. Cranshaw, jurisPR-InsR 25/2009 Anm. 2) – mit den entsprechenden Konsequenzen im Fall der Insolvenz des Gesellschafters.
Im Schrifttum ist diese Rechtsprechung bislang ganz überwiegend weiterhin für anwendbar erachtet worden; denn der Rückzahlungsanspruch sei durch die Anordnung des Nachrangs in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Insolvenz der Gesellschaft wirtschaftlich entwertet, die Darlehensgewährung sei also nicht entgeltlich (so etwa Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., 2015, § 134 Rn. 125; Dahl in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, Anh. II zu §§ 32a, 32b a.F. Rn. 30 f.; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, 30. Erg.-Lfg., Stand Juli 2013, § 134 Rn. 35; ferner Dahl/Schmitz, NZI 2009, 433, 434, und Commandeur/Nienerza, NZG 2009, 860).
Diese Ansicht hat der BGH hier verworfen. Denn wenn nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nunmehr sämtliche Gesellschafterdarlehen nachrangig sind, ohne dass es auf einen „eigenkapitalersetzenden Charakter“ ankäme, sei dieses Kriterium auch für die Anwendung von § 134 InsO nicht mehr verwendbar (im Ergebnis genauso De Bra in: Braun, InsO, 7. Aufl. 2017, § 134 Rn. 28; Haas, DStR 2009, 1592).
D. Auswirkungen für die Praxis
Colorandi causa sei darauf hingewiesen, dass es sich nur bei einem verzinsten Darlehen um einen gegenseitigen – sprich synallagmatischen – Vertrag handelt; das zinslose Darlehen ist hingegen ein „schlichter“ zweiseitig verpflichtender Vertrag (vgl. statt vieler Weidenkaff in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, Einf. v. § 488 Rn. 2). Diesbezüglich hat sich der BGH vorliegend etwas unscharf ausgedrückt.
Zudem könnte man vor diesem Hintergrund darüber sinnieren, ob zumindest eine zinslose Darlehensgewährung als unentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 InsO anzusehen wäre (dahingehend wohl Scholz, GmbHG, Anhang § 64 Gesellschafterdarlehen Rn. 112).
Allerdings bezieht sich die Unentgeltlichkeit lediglich auf die Nutzungsüberlassung. Entscheidend ist m.E. zudem, dass auch im Fall zinsloser Gesellschafterdarlehen der Gesellschafter letztlich ein wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgt, nämlich den Erhalt oder die Wertsteigerung seiner Beteiligung.
Allein dadurch, dass sich diese Erwartung nicht erfüllt bzw. die Rückzahlung des Darlehens ausbleibt, kann ein an sich entgeltliches Geschäft nicht nach § 134 InsO angefochten werden (so bereits BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97 – ZIP 1999, 316, 317).
In dem hier gegebenen Fall einer Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter konfligieren letztlich die Interessen der jeweiligen Gläubigergruppen. Wertungsmäßig, namentlich zur Vermeidung willkürlicher Vermögensverschiebungen im Konzern, wird zuweilen postuliert, dass die Vermögenszuordnung auf den Ausgangspunkt, sprich den Rechtsträger, der die fragliche Leistung ursprünglich erbracht hat, zurückgeführt werden sollte (so Blöse, GmbHR 2009, 768, 769). Hiergegen spricht aber, dass eine Zuführung von Eigenkapital gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten grundsätzlich nicht anfechtbar wäre. Es erschließt sich daher nicht, warum ein Gesellschafter, der seiner Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft nicht gerecht wird und statt Eigenkapital Darlehensmittel zur Verfügung stellt, durch eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 134 InsO privilegiert werden sollte. Vielmehr liegt das Risiko aus Geschäften, die sich im Nachhinein als wirtschaftlich nachteilig erweisen, beim Schuldner – und wenn dieser in Insolvenz fällt, bei seinen Gläubigern.
Vorstehende Erwägungen sind für den Praktiker mit der vorstehenden BGH-Entscheidung freilich allenfalls noch von akademischem Interesse. Zu beachten ist zum einen noch, dass die Entscheidung allgemeine Gültigkeit für eine etwaige Anfechtung von Darlehen gemäß § 134 InsO hat. Zum anderen hat der BGH vorliegend betont, dass eine Anfechtung nach § 134 InsO – selbstverständlich – möglich ist, wenn eine unentgeltliche Leistung lediglich formal in die Gestalt eines Darlehens gekleidet wird.