Nachfolgend ein Beitrag vom 30.5.2017 von Cranshaw, jurisPR-HaGesR 5/2017 Anm. 2
Leitsätze
1. Ein Treuhandkommanditist ist verpflichtet, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind (Bestätigung der Senatsurteile v. 13.07.2006 – III ZR 361/04 – NJW-RR 2007, 406; v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 – NJW-RR 2008, 1129; v. 06.11.2008 – III ZR 231/07 – NJW-RR 2009, 329; v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 – NJW-RR 2009, 613; v. 23.07.2009 – III ZR 323/07; v. 22.04.2010 – III ZR 318/08 – WM 2010, 1017; v. 15.07.2010 – III ZR 321/08 – WM 2010, 1537 und v. 12.12.2013 – III ZR 404/12 – WM 2014, 118).
2. Von einem Treuhandkommanditisten kann jedenfalls erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüft, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Der Treuhandkommanditist (Treuhänder) einer Anlagefondsgesellschaft haftet den Anlegern (Treugebern) auf Schadenersatz auf das negative Interesse, wenn er seinen diesen gegenüber bestehenden Pflichten zur Aufklärung über alle wesentlichen Aspekte der Anlage nicht nachkommt. Er muss zu diesem Zweck auch eine Plausibilitätskontrolle des Anlageprospekts durchführen und dortige Informationen auf Richtigkeit und Vollständigkeit im zumutbaren Umfang überprüfen. Besondere Aufmerksamkeit muss er problematischen Auffälligkeiten der Anlage widmen.
A. Problemstellung
Eine verbreitete Form der Kapitalanlage auch für Anleger, die kleinere Anlagen tätigen, ist die mittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Instrument des sog. „grauen Kapitalmarkts“, dem geschlossenen Anlagefonds. Das Vehikel dazu ist häufig eine GmbH & Co. KG, an der der Anleger nicht selbst, sondern über einen Treuhandkommanditisten mittels Treuhandvertrag nur mittelbar beteiligt ist.
Der III. Zivilsenat des BGH, der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Auftragsverhältnisse zuständig ist, soweit nicht der IX. Zivilsenat (Rechtsanwälte) oder der XI. Zivilsenat (bei Auftragsverhältnissen der Banken) berufen ist, hatte sich in der Besprechungsentscheidung (wie schon so oft) mit der Haftung eines Treuhandkommanditisten in einem problematischen Fall zu befassen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. 1. Die Kläger beteiligten sich im Juni 2006 mit 25.000 Euro nebst 5% „Abwicklungsgebühr“ (also ein für die Vermögensbildung oder den -erhalt verlorenes Agio von 1.250 Euro) als „mittelbare Kommanditisten“ über die später beklagte Treuhandkommanditistin an einer S. GmbH & Co. Altersvorsorgefonds KG (als Immobiliendachfonds) mit einem Beteiligungsprodukt IMMORENTE Plus. Die Kläger hatten danach 5% der Zeichnungssumme und das Agio sofort zu zahlen, den verbleibenden Betrag in 156 Raten zu je 100 Euro monatlich. Die Beteiligung erfolgte formularmäßig über die „bevollmächtigten geschäftsführenden Gesellschafter“ der Fondsgesellschaft durch Abschluss des Treuhandvertrags des Anlegers mit der Treuhandkommanditistin, die wohl zugleich die gesamte Kommanditbeteiligung an der Fondsgesellschaft repräsentierte. Rechtstechnisch bot der Anleger der Treuhandkommanditistin den Abschluss des formularmäßigen Treuhandvertrages an. Dieses Procedere entspricht allgemeiner Praxis bei dergleichen Konstruktionen. Die Treuhandkommanditistin verstand sich als „reine“ Treuhandkommanditistin, d.h. sie wollte offenbar nur die Treuhandbeteiligung des Anlegers formal zustande bringen, die Beteiligung sodann administrieren, ohne jedoch irgendeine Verantwortung im Kontext mit dem Konzept und dem Vertrieb zu übernehmen. Im Treuhandvertrag war dazu bestimmt, dass die Treuhandkommanditistin nicht an Konzept und Erstellung des Anlageprospekts beteiligt gewesen sei, diesen auch nicht auf Richtigkeit überprüft habe und dass sie dazu auch nicht verpflichtet sei. Das Anlageprodukt zeigt, dass man diese Anlage für Kleinanleger nach dem Muster einer Art „Ratensparplan“ konzipiert hatte. Die Kläger zahlten insgesamt 10.900 Euro.
2. Kurz darauf, im Juli 2006, beteiligten sich die Kläger mit einem zusätzlichen Betrag von 160.000 Euro zzgl. 5% Abwicklungsgebühr innerhalb des Konzepts derselben Fondsinitiatoren, die eine größere Zahl von Fonds aufgelegt haben. Die hier in Rede stehende KG plante als Dachfonds neben der Immobilie, der wirtschaftlich die Beteiligungen zum Zeitpunkt der Zeichnung durch die Kläger galten, bis Ende 2006 ein weiteres Investment in eine andere Immobilie im Umfang von 100 Mio. Euro, wozu aber noch keine konkretisierende Aussage getroffen wurde. Mit anderen Worten beteiligten sich die Kläger an einem teilweise als sog. „blind pool“ konzipierten Fonds, bei dem der Anleger zunächst nicht weiß, wohin sein Geld fließen soll. Ein solches Konzept mag dann im Einzelfall funktionieren, wenn die Anleger bei Konkretisierung des vorgesehenen Objekts darüber eingehend unterrichtet werden und mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden. Ansonsten ist so eine Struktur jedenfalls für einen Kleinanleger sicherlich völlig ungeeignet, rechtlich wie wirtschaftlich. Die Fondsgesellschaft wurde zudem nicht selbst Eigentümerin der Fondsimmobilien, auf die das Investment ausgerichtet war, sondern Gesellschafterin der jeweiligen Eigentümergesellschaften der Immobilien.
In beiden Fällen erfolgte die Beteiligung der Kläger aufgrund eines im März 2006 erstellten Prospekts. Auch die neue Beteiligung wurde wieder über die geschäftsführenden Gesellschafter und die Treuhandkommanditistin begründet.
3. Das Anlageprodukt vom Juli 2006 unter der Bezeichnung „Clevere KOMBI“ war anders konzipiert als das Produkt „IMMORENTE Plus“ der früheren Anlage; gefordert war hier eine sofortige Zahlung von 50% der Zeichnungssumme zzgl. der Hälfte des Agios, wobei die andere Hälfte durch Ausschüttungen der Fondsgesellschaft aufgebracht werden sollte. Die Kläger zahlten 84.000 Euro. Nach dem Tatbestand des Urteils wurden somit in ein- und derselben Fondsgesellschaft verschiedene Anlageprodukte eingesetzt mit entsprechenden komplexen Strukturen der Verwaltung der Beteiligung auf der einen, der Liquidität der Gesellschaft auf der anderen Seite. Die Transparenz der Anlage leidet zudem darunter.
4. Die Kläger hatten sich vor der Zeichnung der Anlage beraten lassen und die Beratungsprotokolle unterschrieben; daraus ergab sich aus dem Blick des Berufungsgerichts, dass sie auch den Prospekt erhalten, ihn aber ggf. nicht hinreichend sorgfältig gelesen hätten. Der Prospekt enthielt eine Reihe von Hinweisen, die im Kern zum einen die allgemein an sich völlig richtigen Aussagen enthielten, der Anleger beteilige sich an einem langfristigen unternehmerischen Immobilieninvestment, das bei ungünstigem Verlauf zu einem Totalverlust des Anlegers führen könne, sei es durch die Entwicklung des Vermögens der Fondsgesellschaft und der Erträge derselben, sei es durch einen etwaigen Veräußerungserlös, der nicht einmal die Finanzierungslasten der Gesellschaft decke. Umgekehrt wies der Prospekt an anderer Stelle auf die Investition in „mehrere wertbeständige“ Immobilien hin, auf dadurch beförderten idealen Vermögensaufbau und Altersvorsorge, auf die Abstimmung der Interessen von „Großanlegern und Immobilieneinsteigern“ im Interesse eines sicheren „Vermögensaufbaus und Altersvorsorge“. Als Gesellschaftszweck wurde die Beteiligung an geschlossenen Fonds dargestellt, die jeweils „insbesondere dem Zweck der Altersvorsorge ihrer Gesellschafter“ diene.
5. Warum der Fonds Störungen hinzunehmen hatte, wird im Tatbestand nicht dargestellt. Die Kläger behaupten im Ergebnis, der Fondsprospekt sei fehlerhaft, der plakativ hervorgehobene Zweck der Altersvorsorge werde durch den Charakter als „Teil-Blind-Pool mit Totalverlustrisiko“ konterkariert. Jedenfalls forderten die Kläger schließlich von der Treuhänderin lege artis in der üblichen Weise die Rückzahlung der eingesetzten 94.900 Euro zzgl. Freistellung von etwaigen Risiken der Beteiligungen, entgangenen Gewinn, Anwaltskosten, Zug um Zug gegen das Angebot der Übertragung der Rechte aus den mittelbaren Beteiligungen an die Beklagte und die Feststellung, diese befinde sich insoweit in Annahmeverzug.
Das LG München I hatte der Klage bis auf den entgangenen Gewinn stattgegeben, das OLG München hatte die Klage auf die Berufung der Treuhandkommanditistin vollständig abgewiesen, aber offenbar die Revision zugelassen.
Das OLG München (13. Zivilsenat) zeigte sich im Unterschied zum 15. Zivilsenat des Gerichts in Parallelfällen desselben Fonds davon überzeugt, dass die Kläger von dem beteiligten Anlageberater hinreichend anhand des Prospekts beraten und auf die Risiken hingewiesen worden seien. Der hier erkennende Senat des Oberlandesgerichts hat dahinstehen lassen, ob nun der Prospekt in sich widersprüchlich oder irreführend sei. Für die einzig in Frage kommende Anspruchsgrundlage der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten fehle es aber am Zurechnungszusammenhang zwischen dem Aufklärungsfehler und der Zeichnungsentscheidung, der bei unrichtiger oder gänzlich fehlender Aufklärung grundsätzlich zu bejahen sei.
II. Der BGH hat auf Revision der Kläger im Ergebnis das der Klage weitgehend stattgebende Urteil des LG München I wiederhergestellt.
Er hat dem Berufungsgericht deutlich widersprochen. Die beklagte Treuhandkommanditistin hafte aus Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB, einem Anwendungsfall des Verschuldens bei Vertragsschluss (§§ 280 Abs. 1, 282, 242 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, bis zur Schuldrechtsreform 2002 aus dem rechtsfortbildend früh entwickelten Instrument der „culpa in contrahendo“, das kodifiziert wurde). Vorliegend resultiere das vorvertragliche Vertrauensverhältnis, das entsprechende Pflichten generiere, aus dem die mittelbare Kommanditbeteiligung vermittelnden Treuhandvertrag. Bei einer Kommanditbeteiligung seien die „Altgesellschafter“ dem beitretenden neuen Gesellschafter gegenüber entsprechend verpflichtet. Der Treuhandkommanditist habe die Anlegerinteressen als Treugeber kundig wahrzunehmen und ihre Beteiligung umfassend vor Schaden zu bewahren. Er müsse sich daher über die rechtlichen und die ökonomischen, insbesondere die finanziellen Grundlagen der Gesellschaft, deren Kommanditist er ist, unterrichten und die Treugeber vor dem Abschluss des Treuhandvertrages über die dafür wesentlichen Aspekte informieren. Nach der Judikatur des Senats, der beeindruckend zehn Urteile von 2006 bis Ende 2015 aufzählt nebst weiteren Entscheidungen des Gesellschaftsrechtssenats des BGH, muss der Treuhandkommanditist über alle wesentlichen Aspekte der Anlage aufklären, in Sonderheit über „regelwidrige Auffälligkeiten“, die er kennt oder die ihm – sehr weitreichend – bei „gehöriger Prüfung bekannt sein müssen“. Zwar könne die Beratung auch aufgrund eines rechtzeitig vor der Beteiligung übergebenen Prospekts erfolgen. Der Treuhänder, der in der Beitrittserklärung bevollmächtigt werde, alle Maßnahmen zum Erwerb der mittelbaren Beteiligung zu treffen, sei auch zur Richtigstellung unrichtiger Prospektinformationen verpflichtet, unabhängig von dem Vertrieb. Die Treuhandkommanditistin könne sich nicht etwa mangels persönlichen Kontakts mit den Zeichnern von der Verantwortung freizeichnen, denn ohne sie sei rechtsgeschäftlich der Beitritt gar nicht möglich. Die (oben unter I 1. umrissenen) Klauseln im Treuhandvertrag über die Rolle der Treuhänderin seien ebenfalls nicht geeignet, sie zu entlasten. Hierbei handele es sich im Ergebnis um eine formularmäßige Haftungsfreistellung in Form einer „Verwahrungserklärung“, die an § 307 Abs. 1 BGB scheitere, da sie der Aufgabe des Treuhänders „diametral“ gegenüberstehe und die Anleger unangemessen benachteilige. Die Bereichsausnahme des Gesellschaftsrechts in § 310 Abs. 4 BGB sei vorliegend nicht heranzuziehen. In der Sache betont der Senat, eine Unternehmensbeteiligung zum Zweck der Altersvorsorge, die ein Totalrisiko in sich berge, sei zwar grundsätzlich möglich. Im vorliegenden Fall meint der Senat im Ergebnis, es handele sich um eine „gezielte Desinformation“ im Prospekt, einen gewöhnlichen Immobilienfonds als spezifische sichere Altersvorsorge anzupreisen, der auch noch unter dem Risiko einer „Blind-Pool-Investition“ leide. Maßgeblich bei einem Prospekt sei das Gesamterscheinungsbild bei eingehender Lektüre des Anlegers. Der Prospekt sei hier in sich widersprüchlich, die Warnhinweise würden durch die Anpreisung der Tauglichkeit für die Altersvorsorge entwertet. Der Anlageberater habe das entsprechend seiner Zeugenaussage auch nicht in der Beratung korrigiert. Die Fehlerhaftigkeit des Prospekts hätte die Treuhandkommanditistin bei pflichtgemäßer Plausibilitätsprüfung (als Minimum ihrer Prüfpflichten) erkennen können und müssen. Die Prüfung, deren Anforderungen nicht „überspannt werden“ dürften, müsse auf ein schlüssiges Gesamtbild des Prospekts bei zumutbarem Aufwand für den Treuhänder ausgerichtet werden, was hier ohne weiteres möglich gewesen wäre. Die Treuhandkommanditistin habe daher ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Der Zurechnungszusammenhang sei entgegen dem Berufungsurteil zu bejahen. Auf die unterbliebene Lektüre des Prospekts durch die Kläger komme es nicht an. Nach der Lebenserfahrung bestehe Kausalität dahingehend, dass der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Anlage abgesehen hätte. Dies zu entkräften sei Sache des Aufklärungspflichtigen. Wurde der Prospekt vom Anlageberater als einzige Beratungsunterlage verwendet, sei der Prospektfehler ebenfalls kausal für die Anlageentscheidung. Es spiele dann keine Rolle, ob die Anleger den Prospekt gelesen hätten, denn die Vermutung der Kausalität dieses Fehlers für die Anlageentscheidung sei auch dann zu bejahen. Bei zutreffender Aufklärung hätten die Kläger die Beteiligung nicht gezeichnet, denn ihnen sei es um Altersversorgung und die Versorgung für Pflegefälle gegangen. Die unterbliebene Lektüre des Prospekts erlaube nicht den Schluss, man lege keinen Wert auf die Risikohinweise. Vielmehr zeige sich darin umgekehrt das Vertrauen, das dem Anlageberater, dessen Dienste man sich bedient, geschenkt werde. Die „notwendig allgemein gehaltenen und mit … Fachbegriffen versehenen …“ Angaben eines Prospekts würden dabei „regelmäßig in den Hintergrund“ treten.
Auf die in der Revision weiter aufgeworfene Frage, ob eine AGB-mäßige Bestätigung über den Erhalt des Prospekts wirksam sei oder ob die Ansprüche der Kläger verjährt seien, ist vorliegend nicht weiter einzugehen. Die Beklagte war daher den Klägern ersatzpflichtig wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten; diese waren daher so zu stellen, als „hätten sie die Anlageentscheidung nicht getroffen“. Der Senat kann sich dabei bereits auf die ältere Entscheidung des BGH vom 26.09.1991 (VII ZR 376/89 – BGHZ 115, 213) stützen.
C. Kontext der Entscheidung
I. Strukturen der Beteiligung an geschlossenen Fonds
1. Die gesellschaftsrechtliche Struktur eines geschlossenen Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ist steuerlich und haftungsrechtlich bedingt. Eine persönlich unbeschränkte Haftung für die Gesellschafter soll ausgeschlossen werden. Die Haftung nach § 128 HGB soll allein die GmbH treffen, eine zu diesem Zweck gegründete oder als Vorratsgesellschaft „belebte“ GmbH ohne nennenswerte Kapitalausstattung und im Innenverhältnis ohne Beteiligung am Vermögen der KG. Die mittelbare Haftung der Anleger über die Fondsgesellschaft beschränkt sich auf diejenige für die Hafteinlage nach den §§ 171 Abs. 1, 172, 174 HGB; in der Praxis führen nicht selten die prospektierten Ausschüttungen zu Rückzahlungen von Hafteinlagebeträgen mit der Folge des § 172 Abs. 4, 5 HGB. Die Anleger haben die im Außenverhältnis für Schulden der Fondsgesellschaft nach diesen Bestimmungen in Anspruch genommene Treuhandkommanditistin anteilig nach Maßgabe des Treuhandvertrags freizustellen.
2. Der Zweck einer solchen Anlagekommanditgesellschaft ist die Beschaffung und Innehabung eines Wirtschaftsguts sowie dessen entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte, um Erträge aus der Nutzungsüberlassung zu generieren. Am Ende der für den Fonds kalkulierten Nutzungsdauer, die mit steuerlicher Optimierung einhergehen soll, wird das Wirtschaftsgut veräußert, um damit ebenfalls einen Überschuss für die Anleger zu erwirtschaften. Dieser geht in die Planung der Renditeerwartungen jedenfalls als virtuelle Größe ein. Das Wirtschaftsgut, in das investiert wird, ist – von steuerlichen Erwägungen oder von der Volatilität des Investitionsguts und dessen erwarteter Ertragsfähigkeit auf der Zeitachse abgesehen – eher gleichgültig. Ohne Bedeutung ist insoweit auch, ob die Investition in ein Wirtschaftsgut im Inland oder im Ausland erfolgt. Gegenstand eines solchen geschlossenen Fonds kann eine Immobilie sein, die wohl bei weitem bevorzugte Form der Anlage, aber auch beispielsweise ein Flugzeug oder ein Schiff, ein Filmwerk, ggf. auch eine öffentliche Infrastruktur. Nicht selten wird auch eine Dachfondskonstruktion gewählt, bei der der Fonds mehrere Wirtschaftsgüter hält, eine im günstigsten Falle der Risikostreuung dienende Struktur. Bei rechtlicher Betrachtung beteiligen sich dabei die Anleger freilich nicht einmal mittelbar an einem realen Wirtschaftsgut, sondern die Fondsgesellschaft ist Gruppenobergesellschaft einer Unternehmensgruppe („Dachfonds“), die an Gesellschaften beteiligt ist, die ihrerseits Eigentümer des Wirtschaftsguts, der Immobilie usw., sind (vgl. nur OLG München, Urt. v. 22.03.2017 – 7 U 3356/16, m. Anm. Cranshaw, jurisPR-HaGesR 4/2017 Anm. 3). Der Anleger ist also in allen diesen Fällen mittelbarer Gesellschafter eines Beteiligungsunternehmens. Er trägt daher nicht nur wie sonst allein das anteilige ökonomische Risiko der anfänglichen Werthaltigkeit des Investitionsguts, das bei Immobilien nicht selten ein Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro ausmacht und das Risiko des wirtschaftlichen Erfolgs der Geschäftstätigkeit einer Fondsgesellschaft als Eigentümerin (Vermietung, Administration usw.) sowie das Risiko der Wertentwicklung des Investitionsguts, sondern auch das unternehmerische Risiko der eingeschalteten Beteiligungsgesellschaften. Der Umfang des jeweiligen Investitionsvolumens bedingt, dass kleinere Mindestzeichnungssummen am Markt angeboten werden (müssen), um den Fonds am Markt platzieren zu können.
3. Ist der Fonds wirtschaftlich und rechtlich einwandfrei strukturiert, kann er für den Anleger zu Renditen führen, die am Kapitalmarkt sonst nicht annähernd erreichbar sind. Damit nutzt er abhängig von der Beteiligungsdauer ggf. auch irgendwie der Altersvorsorge des Zeichners, freilich ohne gesonderte Sicherheiten. Nach den ökonomischen Gesetzen ist mit den höheren Renditen freilich ein erhöhtes Risiko für das eingesetzte Kapital verbunden. Die unternehmerische Beteiligung ist natürlich kein Instrument einer besonders sicheren Altersvorsorge. Die Aussagen des Prospektes im vorliegenden Fall waren damit für den gewöhnlichen Anleger erheblich irreführend.
4. Betrachtet man die Judikatur zu fehlgeschlagenen Fällen der Beteiligung an geschlossenen Fonds, so kann man empirisch ganz unterschiedliche Fallgruppen bilden:
Zum einen gibt es dort beispielsweise die Fallgruppe der handwerklichen Fehler der Fondsstrukturen, von der Ungeeignetheit des konkreten Wirtschaftsguts bis zu Mängeln des gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Konzepts. Daneben steht die sicher ebenso große Fallgruppe der Prospektfehler mit überzogenen Anpreisungen und inhaltlichen Fehlern wie im vorliegenden Fall. Endlich gibt es auch eine Fallgruppe der Vertragsreue von Anlegern, deren Erwartungen infolge von nicht vorhergesehenen Entwicklungen enttäuscht wurden, ohne dass dies auf nachweisliche haftungsrelevante Fehler von Beteiligten zurückzuführen wäre. Schließlich gibt es die Fallgruppe verwerflicher betrügerischer Projekte, die z.B. durch ein Schneeballsystem gekennzeichnet sind und durch regelmäßig außergewöhnlich hohe Schäden der Anleger geprägt werden, Fälle, denen die Rechtsordnung besonders energisch entgegentreten muss.
Angesichts der den Gerichten zur Entscheidung jeweils vorliegenden Negativauswahl, die die Betrachtung geschlossener Fonds in der Öffentlichkeit beeinflussen dürfte, wäre es auch volkswirtschaftlich interessant zu wissen, welchen prozentualen Anteil fehlerhafte Projekte am gesamten Markt dieser Investitionen haben, um Fehlallokationen entgegenzuwirken. Dazu gibt es aber offenbar leider ebenso wenig eine (statistische) Untersuchung wie zu den Zusammenhängen zwischen dem Vertrieb der Anlagen, dem Prospekt, der Anlegerberatung und der Entscheidung der Zeichner, insbesondere bei der später fehlgeschlagenen Anlage.
II. Würdigung des Ergebnisses des BGH
1. Die Entscheidung des BGH verdient im vorliegenden Fall uneingeschränkt Zustimmung. Eine unternehmensrechtliche Beteiligung ist kein Produkt der Altersvorsorge, wie man sie in Deutschland gemeinhin versteht. Die Würdigung des Senats, die Anpreisung des Fonds als spezifisches „ideales“ Anlageprodukt für Vermögensaufbau und Altersvorsorge in Immobilien, entwerte tatsächlich weitgehend die Risikohinweise, die dann eher hypothetisch erscheinen, trifft zu. Hinzu kommt, dass jedenfalls bis in die jüngste Zeit die Investition in eine Immobilie in Deutschland als die sichere wertbeständige und inflationssichere Anlage schlechthin galt. Dass dies u.a. von der Lage, dem Alter und dem Instandsetzungs- und Instandhaltungszustand abhängt, wird bei dem Erwerb sicher nicht selten ausgeblendet.
2. Ergebnis und Methodik des Senats entsprechen seiner auch umfangreich zitierten Judikatur. Der Treuhandkommanditist hat die Anlage nach Plausibilitätskriterien eigenständig zu prüfen und die Anleger aufzuklären. Die Verletzung dieser Pflicht generiert einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss, hier die Fallgruppe der Prospekthaftung im weiteren Sinn. Basis ist der Treuhandvertrag, ohne den die mittelbare Beteiligung an der Fondsgesellschaft nicht zustande kommen kann. Die Haftung des Treuhandkommanditisten besteht parallel neben den Ansprüchen gegen weitere Beteiligte. Den „reinen“ Treuhandkommanditisten, der sich auf bloße formale und administrative Funktionen ohne eigene Prüfung und Entscheidungen beschränkt, sondern nur Rechtshandlungen anderer Beteiligter vollzieht, lehnt der BGH ab, auch wenn der Treuhandkommanditist und andere Beteiligte nicht gesellschaftsrechtlich wie häufig miteinander verbunden sind. Die Haftung für fehlerhafte oder unterbliebene Aufklärung gilt auch dann, wenn der Prospekt fehlerhaft ist, aber die einzige Arbeitsunterlage für den Treuhandkommanditisten darstellt und der Anleger sich eines Anlageberaters bedient. Die fehlende Lektüre des Prospekts – eine sehr weitgehende Festlegung des Senats – unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht. Bei anlegergerechter Information hätte der Anleger Abstand von der gescheiterten oder gefährdeten Anlage genommen, das Vertrauen auf die Beteiligten kann negative Prospekthinweise überspielen.
3. Die sachgerechte Aufklärung beginnt bereits mit der richtigen Darstellung einer etwaigen Dachfondsstruktur, damit der Anleger in eine Beteiligungsgesellschaft nicht irrig meint, er sei gleichsam Miteigentümer einer Immobilie, denn er ist es eben auch wirtschaftlich nur sehr mittelbar. In Wahrheit ist der Treuhandgesellschafter als einziger am Vermögen der Fondsgesellschaft beteiligter Kommanditist mit dem Anleger eben nur treuhänderisch verbunden, also durch schuldrechtlichen Vertrag. Der Anleger hat als einzelner mittelbar Beteiligter kaum Einfluss. Risikohinweise dürfen nicht zu Werbezwecken heruntergespielt werden. Dem Anleger müssen auch sehr genau die Spielarten der Aufbringung des Eigenkapitals der Fondsgesellschaft und deren Bedeutung transparent gemacht werden. Es kann nicht erwartet werden, dass der durchschnittliche „vernünftige“ Anleger, den der Senat in den Blick nimmt, derartige Fondskonstruktionen und ihre wesentlichen Folgen ohne weiteres versteht. Von dem Anlageberater und der Treuhandkommanditistin muss man das zwingend erwarten, unabhängig davon, ob der einzelne Mitarbeiter die Anlage, die er vertreibt, wirklich selbst versteht. Die Treuhandkommanditistin kann sich auch nicht damit entschulden, sie sei gleichsam materiell nicht wirklich Gesellschafterin, sondern sie administriere nur.
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Treuhandkommanditisten sollten sich auf die Judikatur des BGH längst eingestellt haben und ihre Aufklärungspflichten bejahen. Ansonsten droht ihnen ggf. eine Vielzahl von Prozessen mit beachtlichem Prozessrisiko. Dennoch bleibt jeder Fall ein Einzelrechtsstreit mit seinen Besonderheiten, so dass auch der anwaltliche Berater des Anlegers gehalten ist, individuell vorzugehen und seinem Mandanten auch die für ihn bestehenden Prozessrisiken aufzuzeigen und nicht anzunehmen, jeder Fall sei aufgrund ein- und desselben Prospekts gleich gelagert. Die Treuhänder müssen sich ferner bewusst sein, dass sie bei fehlender eigener Kontrolle für die Fehler anderer Beteiligter mithaften, so dass sie dagegen eine vernünftige eigene Risikostrategie setzen müssen. Mit der im Rahmen des Schadensausgleichs vom Anleger anzubietenden Übertragung der mittelbaren Beteiligung an die Treuhandkommanditistin gehen die Ansprüche des Anlegers aus dem Treuhandvertrag durch Konfusion nach § 362 BGB unter, und der Treuhänder verwaltet und hält die (virtuelle) anteilige Kommanditeinlage des Zeichners nunmehr auf eigenes Risiko.
II. Die Initiatoren von geschlossenen Fonds und die weiteren Beteiligten, auch die Prospektersteller und -prüfer, haben sich an dieser Judikatur zu orientieren. Bei Dachfonds über einen Treuhandkommanditisten gehört dazu, dass der Anleger weiß, dass er gerade nicht wirklich mittelbar an einem Wirtschaftsgut beteiligt ist, sondern an einem Beteiligungsunternehmen. Bei einem Blind-Pool-Fonds muss er ferner wissen, dass sein Geld über ggf. mehrere, jeweils mit unternehmerischen Risiko verbundene Gesellschaften, in ein Wirtschaftsgut einfließen wird, auf das er keinen Einfluss hat, ein erhebliches potentielles weiteres Risiko für seine Anlage, das daher auch umfänglicher weiterer Aufklärung durch alle Beteiligten auf der Seite des Fonds bedarf. Die Finanzierungsinstitute werden im Hinblick auf die Judikatur des Bankensenats des BGH darauf achten, nicht in ein komplexes eigenes Prozessrisiko im Kontext mit der Finanzierung des Zeichners hineingezogen zu werden (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 05.07.2016 – XI ZR 254/15), mag eine Haftung auch nur in Ausnahmefällen in Frage kommen.
III. Im Rahmen der weiteren Prospekthaftung spricht von Fall zu Fall viel dafür, dass die verschiedenen Beteiligten gesamtschuldnerisch haften. Verfahrensrechtlich wird der Berater des Anlegers prüfen, inwieweit er Beteiligte als Streitgenossen in Anspruch nimmt. Der Beklagte wird prüfen, inwieweit er anderen Beteiligten den Streit verkündet.