Nachfolgend ein Beitrag vom 24.10.2016 von Wozniak, jurisPR-InsR 20/2016 Anm. 2
Leitsatz
Die Eintragung einer sog. Ersatzfirma im Handelsregister durch den Insolvenzverwalter bedarf einer Änderung der Satzung der Gesellschaft.
A. Problemstellung
Die Entscheidung des OLG München betrifft eine in der Insolvenzverwalter-Praxis häufig anzutreffende Fragestellung im Schnittbereich zwischen Insolvenz- und Handelsregisterrecht. Regelmäßig stellt sich im Insolvenzverfahren die Frage einer Verwertung der Firma des Unternehmens. Wird diese im Zuge eines Asset Deals zur Weiternutzung veräußert, ist zu klären, unter welcher Firma die Abwicklungsgesellschaft nach Veräußerung der Firma durch den Insolvenzverwalter weitergeführt wird. Es entspricht gängiger Praxis, dass die insolvente Gesellschaft mit einem Zusatz (Abwicklungsgesellschaft bzw. Liquidationsgesellschaft oder Ähnliches) bezeichnet wird und eine entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte. Dies ist regelmäßig auch erforderlich, da der Erwerber häufig am alten Geschäftssitz weiter tätig werden will und nur so die „neue alte“ Firma mit verändertem Rechtsträger im Handelsregister eintragungsfähig ist. Wer die entsprechende Änderung satzungsrechtlich veranlassen kann, wer für die Eintragung zuständig ist und wie die Abwicklung erfolgt, ist jedoch umstritten und bildet den Gegenstand der hier zu besprechenden Entscheidung des OLG München.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, beantragte die Eintragung einer so genannten Ersatzfirma in das Handelsregister, was das Registergericht zurückgewiesen hat. Zur Begründung führte es aus, dass dies eine Unrichtigkeit des Registers zur Folge habe, die sich daraus ergebe, dass der Name der Firma, der in der Satzung steht, von dem Namen abweiche, der dann im Register stünde. Außerdem sei der Insolvenzverwalter befugt, eine Änderung der Satzung vorzunehmen, so dass einer Satzungsänderung auch keine wesentlichen Hindernisse entgegenstünden. Der Insolvenzverwalter vertritt die Auffassung, eine Satzungsänderung sei nicht nötig und rechtlich auch nicht möglich. Er trägt vor, die Eintragung von Ersatzfirmen entspreche gängiger Praxis der Amtsgerichte.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat das OLG München die Auffassung des Registergerichts verteidigt. Es hält zunächst die Eintragung einer vom Insolvenzverwalter zu bildenden Ersatzfirma nur auf der Grundlage einer Satzungsänderung der Gesellschaft für möglich. In der Rechtsprechung sei seit der Entscheidung des BGH (Urt. v. 27.09.1982 – II ZR 51/82 – NJW 1983, 755) anerkannt, dass der Insolvenzverwalter die Firma als Name der Gesellschaft im laufenden Insolvenzverfahren verwerten könne, unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Personen- oder Sachfirma handele. Im Umkehrschluss folge hieraus, dass die Gesellschaft, die als Formkaufmann auch im Liquidationsstadium nicht namenlos bleiben kann, einer Ersatzfirma bedürfe.
Ob für die Bildung dieser Ersatzfirma eine Satzungsänderung der Gesellschaft erforderlich sei, sei jedoch in der obergerichtlichen Rechtsprechung mit Ausnahme einer Entscheidung des KG Berlin noch nicht entschieden worden. Das KG Berlin habe den Konkursverwalter für berechtigt gehalten, die Firma der Schuldnerin unter gleichzeitiger Bildung einer Ersatzfirma zu veräußern. Auch das KG Berlin ging in der damaligen Entscheidung davon aus, dass die Bildung einer Ersatzfirma einer Satzungsänderung bedürfe. Wer berechtigt sei, diese Satzungsänderung vorzunehmen, ist jedoch – so das Oberlandesgericht – umstritten. Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 08.01.1993 – 4 W 28/92 – NJW 1993, 1931) sei eine Satzungsänderung durch die Gesellschafter in der Insolvenz nur dann möglich, wenn der Konkursverwalter zustimme. Das LG Essen hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 (LG Essen, Beschl. v. 04.05.2009 – 44 T 3/09) entschieden, dass die Bildung einer Ersatzfirma und deren Eintragung ins Register auch durch den Insolvenzverwalter ohne vorherige Satzungsänderung möglich seien. Der BGH habe sich zur Fragestellung, ob der Insolvenzverwalter berechtigt sei, die Satzung der Insolvenzschuldnerin zu ändern, bislang nicht geäußert.
Eine Änderung des Geschäftsjahres der Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter hat der BGH insofern nicht als Satzungsänderung angesehen und musste sich daher mit der Problematik damals nicht auseinandersetzen (BGH, NJW-RR 2015, 2457).
In der Literatur sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bildung der Ersatzfirma zulässig sei, gegenwärtig noch nicht einheitlich beantwortet. Es fänden sich überwiegend Stimmen, die die Bildung einer Ersatzfirma für zulässig hielten, wobei allerdings häufig offenbleibe, ob dabei davon ausgegangen werde, der Insolvenzverwalter könne die Ersatzfirma ohne Satzungsänderung vornehmen oder er sei zur Satzungsänderung kraft Amtes befugt (zur Vertiefung: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 100). Als wesentliches Argument, warum der Insolvenzverwalter die Befugnis haben müsse, eine Ersatzfirma ohne vorherige Satzungsänderung zu bilden, wird angeführt, dass die Satzungsänderung regelmäßig am Widerstand der Gesellschafter scheitern würde (Heidinger in: MünchKomm HGB, § 22 Rn. 89).
Das OLG München vertritt demgegenüber die Auffassung, dass eine Firmenänderung im Sinne der Eintragung einer Ersatzfirma ohne satzungsändernden Beschluss nicht eingetragen werden könne. Dabei erkennt es an, dass es häufig Probleme bei einer Kooperationsunwilligkeit der Gesellschafter der insolventen Gesellschaft geben könne und es deshalb für den Insolvenzverwalter regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein könne, wenn für die Eintragung der Ersatzfirma die Änderung der Satzung verlangt werde und andererseits dem Verwalter nicht die Kompetenz zur Satzungsänderung zugebilligt werde.
Andererseits sei zu berücksichtigen, dass jede GmbH eine Satzung brauche (§ 3 GmbHG) und die beantragte Eintragung ohne vorherige Satzungsänderung das Handelsregister zwingend unrichtig mache, weil tatsächliche und eingetragener Satzungszweck divergierten. Zudem sei nicht absehbar, wie lange diese Unrichtigkeit dauere, denn jedenfalls während der Dauer des Insolvenzverfahrens werde das Register unrichtig. Zweck des Registers sei es aber gerade, dass die wichtigsten Rechtsverhältnisse des Unternehmens offenbart würden. Unter diesem Gesichtspunkt habe das Registergericht die Eintragung zu Recht verweigert.
Über die Frage, ob der Insolvenzverwalter oder die Gesellschafter eine entsprechende Satzungsänderung hätten vornehmen können, musste das Gericht nicht befinden, nachdem eine solche Satzungsänderung weder vom Verwalter noch von den Gesellschaftern getroffen worden war.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG München vermag nicht zu überzeugen. Sie handelt die Fragestellung der Firmenänderung und Eintragung zu formalistisch ab und zeigte keinen gangbaren Weg auf, wie die Rechtspraxis mit der Fragestellung umgehen soll.
Im Ausgangspunkt ist zunächst unstreitig und klar, dass sich aufgrund des Umstandes, dass die Firma dem Insolvenzbeschlag unterfällt und vom Verwalter daher im eröffneten Verfahren verwertet werden kann, die Fragestellung ergibt, wie im Verhältnis zwischen Abwicklungsgesellschaft und ggf. neu gegründeter Gesellschaft, die die Firmierung der insolventen Gesellschaft übernimmt, umgegangen wird. Gerade weil der immaterielle Firmenwert zusehends an Bedeutung gewinnt und die mit dem Namen verbundene Marktposition bisweilen in Insolvenzverfahren sogar den größten Wert der insolventen Gesellschaft darstellt, wird die Frage in den nächsten Jahren noch stärker virulent werden. Die Entscheidung des OLG München gelangt zu der Schlussfolgerung, eine nicht mit der ursprünglichen Firmierung kollidierenden Ersatzfirma bedürfe für die Registereintragung eines satzungsändernden Beschlusses, der den Anforderungen von § 53 GmbHG genüge (also insofern wohl auch das Formerfordernis der notariellen Beurkundung einhält). Zur Fassung dieses Beschlusses sei – so das Oberlandesgericht – der Insolvenzverwalter befugt.
Die letzte Feststellung überrascht. Ein Beschluss, der die Satzung einer Kapitalgesellschaft ändert, fällt regelmäßig in die originäre Zuständigkeit der Gesellschafter (§§ 45 ff. GmbHG). Die Rechte aus der Mitgliedschaft an der Gesellschaft sind jedoch in der Insolvenz der Gesellschaft (nicht des Gesellschafters) nicht massezugehörig bzw. nicht vom insolvenzrechtlichen Beschlag i.S.d. § 35 InsO erfasst. Der Verwalter ist damit eigentlich auch gemäß § 80 InsO weder verwaltungs- noch verfügungsbefugt. Vom Beschlag ist ausschließlich das Vermögen der Schuldnerin, bei Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit das gesamthänderisch gebundene Vermögen und nicht der jeweilige Anteil des Gesellschafters hieran erfasst (statt vieler die instruktive Anmerkung von Horstkotte, ZInsO 2016, 1369).
Auch das Bemühen, eine Divergenz zwischen Satzung und Registerinhalt zu vermeiden, geht an der Praxis vorbei. Die Fälle einer Divergenz zwischen Satzung und Registerinhalt sind im Insolvenzverfahren nicht so untypisch, wie die Entscheidung des OLG München glauben machen möchte. Zum einen ändert sich bereits infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf der Basis des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG der Zweck der Gesellschaft sowie die Vertretungsregelung. Das Insolvenzverfahren bewirkt damit, dass die an sich bestehende Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers als organschaftlichem Vertreter, der nach Auflösung kraft Gesetzes geborener Liquidator wäre, durch die Bestellung eines Insolvenzverwalters verändert wird (BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 255/07 – ZInsO 2009, 105).
Gleiches gilt für die regelmäßig vorgesehene Bestimmung in den Satzungen, dass das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt gemäß § 155 Abs. 2 InsO zwingend ein neues Rechnungslegungsjahr. Eine entsprechende Anpassung des Gesellschaftsvertrages bedarf es hier jedoch ebenfalls nicht. Die gesetzliche Regelung überspielt hier die statutarische.
Sieht man die Firma als massezugehörigen immateriellen Vermögensgegenstand an, über den die Verfügungsgewalt beim Insolvenzverwalter liegt, kann man die vielfach in der Literatur vertretenen Überlegungen zur „Annex-Kompetenz“ nachvollziehen. Ein satzungsändernder Beschluss bedarf daher aufgrund des Umstandes, dass hier Gesellschafterrechte, nicht Gesellschaftsrechte betroffen sind, regelmäßig der Zustimmung der Anteilseigner. Die Kompetenz zur Entscheidung über eine Verfügung, betreffend die Firma, fällt den Gesellschaftern insofern im Insolvenzverfahren nicht zu, da hier ihre Kompetenz als Gesellschafter durch den Insolvenzverwalter und seine Verfügungsbefugnis über die Firmenbezeichnung überspielt wird. Weil der Insolvenzverwalter in dieser Fallkonstellation auch nicht auf der Basis des Gesellschaftsrechts tätig wird, greift auch hier formelles Gesellschaftsrecht nicht ein.
Die Problematik, die das OLG München unter dem „Verkehrsschutz-Gedanken“ angeführt hat, hat Horstkotte in seiner Urteilsanmerkung (ZInsO 2016, 1369) zutreffend mit einem Lösungsvorschlag bedacht, der zur Sicherung des Verkehrsschutzes eine formlose Anzeige an das Registergericht, betreffend die Entschließung des Insolvenzverwalters zur Bildung einer Ersatzfirma, anregt und diese als eintragungsfähig ansieht. Es spricht viel für diese Handhabung. Danach wäre in Spalte 2A des Handelsregisters einzutragen: „XY Akt-Abwicklungsgesellschaft mbH“ sowie in Spalte 6A: „Durch Entschließung des Insolvenzverwalters vom … ist die Firma geändert.“ Diese Lösung überzeugt wesentlich eher als die im Ergebnis offene und formalistische Auslegung des OLG München.
D. Auswirkungen für die Praxis
Bislang ist das Problem nicht gelöst. Auch die Entscheidung des OLG München trägt hierzu leider nichts bei und bleibt in einer eher formalistischen Betrachtungsweise, ausgerichtet an gesellschaftsrechtlichen Erwägungen, stecken, ohne sich mit der insolvenzrechtlichen Problematik wirklich auseinanderzusetzen. Dies war im Einzelfall zwar nicht erforderlich, bringt jedoch die Rechtsentwicklung auch nicht weiter. Dass man der Thematik die grundsätzliche Bedeutung abspricht und den weiteren Verfahrensweg damit abschneidet, zeugt nicht davon, dass das Oberlandesgericht von seiner Argumentation selbst überzeugt ist. Der Vorschlag von Horstkotte dürfte eine erwägenswerte Lösung der Problemstellung sein, die zu einem sachgerechten Ausgleich zwischen Registerwahrheit, Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie der Wahrung der Rechte der Gesellschafter in der Insolvenz mit sich bringt. Dass in der Praxis gegenwärtig mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, sofern die entsprechenden Eintragungen nach Vorschlag von Horstkotte begehrt werden, dürfte zumindest so lange klar sein, bis hier eine gesetzgeberische Klarstellung oder eine obergerichtliche Entscheidung des BGH in diese Richtung ergeht. Sofern die Gesellschafter in eine entsprechende Satzungsänderung einwilligen, dürfte es bei der momentanen Rechtslage in jedem Fall sicherer sein, eine entsprechende Beschlussfassung (neben der des Verwalters) herbeizuführen.