Nachfolgend ein Beitrag vom 21.12.2016 von Heckelmann, jurisPR-HaGesR 12/2016 Anm. 2

Leitsatz

Die gesellschaftsvertragliche Regelung über die Befreiung der GmbH-Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB lässt sich nicht auf den (geborenen) Liquidator erstrecken. Die Regelungen des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschäftsführung lassen sich auch dann nicht auf die Liquidation übertragen, wenn die bisherigen Geschäftsführer als geborene Liquidatoren tätig werden.

A. Problemstellung

„Ein Könner macht nicht einfach Konkurs, er macht masselos Konkurs.“ Das schon vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung geflügelte Wort scheint in Zeiten des Insolvenztourismus aktueller denn je. Wer hingegen seine in Form einer Kapitalgesellschaft geführte Unternehmung geordnet beenden möchte, greift gern auf die Möglichkeit der Verschmelzung zurück. Entsprechend selten kommt es zur Liquidation von Gesellschaften. Das ist bedauerlich, ist die Liquidation doch meist mit deutlich geringerem Beratungsaufwand verbunden als eine Umwandlung.
Auch bei der Liquidation drohen freilich Fallstricke. Zu ihnen gehört die unbewusst fehlerhafte Ausstattung der Liquidatoren mit Vertretungsbefugnissen einschließlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Noch immer nicht vollständig geklärt ist die Frage, ob der geborene Liquidator auf eine solche Befreiung bauen kann, wenn ihm als Geschäftsführer die Vornahme von Insichgeschäften gestattet war.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH sah vor, dass Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden konnten. Von Liquidatoren war in der Satzung keine Rede. Die Gesellschafterversammlung fasste einen Beschluss, nach dem die Gesellschaft aufgelöst, der bisherige Geschäftsführer als Liquidator bestellt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werde.
Das OLG Köln sah ebenso wie zuvor das Registergericht die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB als nicht eintragungsfähig an. Eine solche Befreiung könne nur in der Satzung oder durch einen auf einer Satzungsgrundlage beruhenden Gesellschafterbeschluss gewährt werden. Hier liege lediglich ein Gesellschafterbeschluss vor. Zwar sehe der Gesellschaftsvertrag eine Ermächtigung der Gesellschafterversammlung zur Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vor. Diese gelte aber ausdrücklich nur für die Geschäftsführer und nicht für die Liquidatoren. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in Ermangelung einer Bestimmung anderer Personen die bisherigen Geschäftsführer von Gesetzes wegen zu Liquidatoren würden. Denn der Übergang in den Liquidationsstatus bilde eine Zäsur, die eine Neuordnung der Vertretungsverhältnisse verlange. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 255/07) ende mit der Liquidation die gesellschaftsvertragliche Vertretungsregelung einschließlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.
Entgegen der Ansicht des OLG Zweibrücken (Beschl. v. 06.07.2011 – 3 W 62/11) könne die zugunsten der Geschäftsführer geltende Befreiungsermächtigung nicht als Ermächtigung zur Befreiung von Liquidatoren ausgelegt werden. Denn eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zum Zweck der Gesellschaft. Durch dessen Änderung von der werbenden Tätigkeit zur Abwicklung stehe nämlich nicht mehr die jederzeitige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, sondern der Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Gesellschafter im Vordergrund. Wolle die Gesellschafterversammlung den Liquidator von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien, müsse sie daher zunächst eine entsprechende Ermächtigung in die Satzung aufnehmen.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Köln setzt die Spruchpraxis des BGH konsequent fort und schließt zusammen mit dem OLG Hamm (Beschl. v. 06.07.2010 – 15 Wx 281/09) eine bislang noch offengebliebene Lücke. In der genannten Entscheidung aus dem Jahr 2008 hatte der BGH für Aufsehen gesorgt, indem er die Einzelvertretungsbefugnis des geborenen Liquidators, der zuvor eine solche als Geschäftsführer innehatte, mit den vom OLG Köln angeführten Argumenten verneinte. Das OLG Köln dehnt diese rigorose Haltung auf alle Fälle einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB aus.
Das ist nicht ganz so selbstverständlich, wie es zunächst klingt. Denn zwischenzeitlich hatten sich nicht nur Teile des Schrifttums kritisch gegen den BGH gestellt (u.a. Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 68 Rn. 2 f.). Auch hatte das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 06.07.2011 – 3 W 62/11) in einer dem hier besprochenen Fall vergleichbaren Konstellation eine Lücke in der Rechtsprechung des BGH erkannt. Für den Fall, dass die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sich nicht unmittelbar aus der Satzung, sondern aus einem auf einer in der Satzung enthaltenen Ermächtigung beruhenden Gesellschafterbeschluss ergebe, legte es diese Ermächtigung in der Weise aus, dass sie auch bei ausschließlichem Zuschnitt auf die Geschäftsführer ausreicht, um Liquidatoren von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien (ebenso Büteröwe in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 68 GmbHG Rn. 6; Michalski-Nerlich, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 68 Rn. 8 und 11; Wicke, GmbHG, § 68 Rn. 3).
Das überzeugt schon systematisch nicht. Weshalb auch sollte die vom BGH betonte Schranke zwischen der werbenden Tätigkeit und der Liquidation denn nur für die Befreiung durch die Satzung gelten und nicht für diejenige, die auf der Satzung beruht? Interessanter ist das Argument, es stelle einen Widerspruch dar, wenn das Gesetz einerseits für Personenidentität von Geschäftsführer und geborenem Liquidator sorge, andererseits aber dessen Vertretungsbefugnisse neu geordnet wissen wolle. Hiermit setzte sich vorausschauend schon der BGH auseinander. Er konterte, dass § 68 GmbHG für die Liquidationsphase eine eigene Vertretungsregelung vorschreibe. Diese sei derjenigen der werbenden Gesellschaft zwar ähnlich, aber eben nicht identisch. Amtskontinuität bedeute folglich nicht Kompetenzkontinuität (Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 68 Rn. 4). Mit dieser Argumentation wird man dem OLG Köln Recht geben müssen, dass für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nichts anderes gelten kann als für die Einzelvertretungsbefugnis (Lorscheider in: BeckOK GmbHG, 28. Ed. 2016, § 68 Rn. 1; Müller in: MünchKomm GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 68 Rn. 7).

D. Auswirkungen für die Praxis

Bei fehlender Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB handelt ein Liquidator beim Abschluss von Insichgeschäften ohne Vertretungsmacht. Die schwebende Unwirksamkeit der so vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird endgültig, wenn ihre Genehmigung verweigert wird. Bedeutender freilich ist der Fall der Vollbeendigung der Gesellschaft. Denn hier gibt es niemanden mehr, der das Geschäft genehmigen könnte. Es droht die Inanspruchnahme des Liquidators gemäß § 179 BGB. Aber auch die Abwicklung der Gesellschaft kann empfindlich gestört werden. Klagt der Liquidator Außenstände ein und wendet der Drittschuldner erst spät im Prozess die fehlende Vertretungsbefugnis ein, so kann die Forderung bereits verjährt sein.
Seit dem BGH-Urteil des Jahres 2008 ist die Praxis gehalten, idealerweise schon bei Gründung eine Bestimmung in den GmbH-Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wonach die Vertretungsbefugnisse der Liquidatoren sich nach denjenigen der Geschäftsführer richten. In Anbetracht des Urteils des OLG Köln sollte unbedingt eine Formulierung gewählt werden, die die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB mit einschließt.