Nachfolgend ein Beitrag vom 18.5.2018 von Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2018 Anm. 5

Leitsätze

1. Der Insolvenzverwalter ist bei einer Kapitalgesellschaft auch dann befugt, ohne Einwilligung des Namensträgers und ohne Zustimmung der Gesellschaftsorgane der Schuldnerin das Unternehmen mit der Firma zu veräußern, wenn der Name des Gesellschafters in der Firma enthalten ist.
2. Hiermit geht die Befugnis des Insolvenzverwalters einher, eine Ersatzfirma für die verbleibende Unternehmenshülle zu bilden und eine entsprechende Satzungsänderung vorzunehmen.

A. Problemstellung

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Unternehmen kommt es nicht selten vor, dass mit dem Konzept einer übertragenden Sanierung über wesentliche Unternehmensteile des insolventen Rechtsträgers ein erhebliches Interesse des Erwerbers besteht, die am Markt eingeführte Firma des fallierten Unternehmensträgers weiterzuführen, zumal sie beispielsweise mit identischen Wortmarken nach dem MarkenG bzw. der UMV verbunden sein kann. Ohne die Mitveräußerung der Firma würde häufig der Erlös der veräußerten Unternehmensteile deutlich geringer ausfallen, im Extremfall wäre die übertragende Sanierung generell gefährdet. Die Veräußerung der Firma stößt ebenfalls nicht selten auf den Widerstand der Gesellschafter der insolventen Gesellschaft, insbesondere dann, wenn Firmenbestandteil der Familienname eines Gesellschafters ist. Hinzu kommt, dass der insolvente Unternehmensträger als Liquidationsgesellschaft – jedenfalls während des Insolvenzverfahrens – fortbesteht und daher eine Ersatzfirma benötigt, die von der bisherigen Firma im Interesse u.a. der Firmenwahrheit abweichen muss.
Da die Firmenänderung bei der GmbH eine im Register einzutragende Satzungsänderung darstellt, die von den Gesellschaftern zu beschließen wäre, diese aber nicht zur Mitwirkung bereit sind, stellt sich in der Praxis die Frage, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter ohne die Gesellschafter dazu befugt ist. Die Registergerichte vertreten hierzu divergierende Meinungen, deren Korrektur durch die Insolvenzverwalter bei den Oberlandesgerichten als Registerbeschwerdegerichte verfolgt wird. Um eine solche Konstellation geht es bei der Besprechungsentscheidung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Der am Registerbeschwerdeverfahren Beteiligte ist Insolvenzverwalter einer beim Registergericht in Essen zu HRB 190 eingetragenen GmbH. Er hat am 01.09.2017 beim Registergericht die Änderung der Firma der GmbH angemeldet, wobei er sich auf eine notarielle Niederschrift über eine entsprechende Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der Insolvenzschuldnerin vom selben Tage bezogen hat, die durch ihn erfolgt war. Er begründete die Firmenänderung damit, die bisherige Firma veräußert zu haben. Recherchiert man im Internet zu der angegebenen HRB-Nummer, so scheint der Verwalter die verbreitete Form der Ersatzfirma als „… Insolvenz-Abwicklung GmbH“ gewählt zu haben. Das AG Essen/Registergericht hat nach rechtlichem Gehör des Beteiligten den Eintragungsantrag unter dem 27.09.2017 mit der Begründung zurückgewiesen, für den satzungsändernden Beschluss seien die Gesellschafter zuständig, nicht der Verwalter. Die konstitutiv wirkende Eintragung von Satzungsänderungen sei ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Gesellschafter nach Art. 14 GG, wobei sich das Amtsgericht auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 09.01.2014 – 1 BvR 2344/11) bezogen hat.
Das Amtsgericht hat der dagegen gerichteten Beschwerde nicht abgeholfen, die der Beteiligte auf seine Befugnis als Insolvenzverwalter nach § 80 InsO stützte. Er sei aus Gründen der Firmenwahrheit und als Folge seiner Verpflichtungen im Veräußerungsvertrag über das Unternehmen (und die Firma) zum Beschluss über die Firmenänderung und zur Beantragung der Eintragung der Ersatzfirma in das Handelsregister veranlasst.
II. Das OLG Hamm hat den Beschluss des Amtsgerichts/Registergerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Der Senat stellt zunächst fest, der Insolvenzverwalter dürfe zweifelsfrei das Unternehmen mitsamt Firma veräußern. Seit der Entscheidung des BGH vom 27.09.1982 (II ZR 51/82 – BGHZ 85, 221, zur Konkursordnung) entspricht es danach höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen nebst der Firma veräußern kann, da beides zur Konkursmasse gehöre. Für die Insolvenzordnung gilt das erst recht. Ist in der Firma der Name eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft enthalten, bedarf es dennoch nicht der Zustimmung der Gesellschafter, denn deren Rechte werden nicht berührt. Das OLG Hamm stützt sich hierbei auf weitere Judikatur, u.a. des BGH, und auf Literaturstimmen. Die Gesellschaft benötige daher sachlogisch eine Ersatzfirma, zu deren Bestimmung der Insolvenzverwalter ebenfalls berufen sei. Grundlage sei § 80 Abs. 1 InsO bzw. eine Annexkompetenz im Zusammenhang damit, da die Bestimmung der Ersatzfirma wiederum nach dem hierfür vorgesehenen Procedere erfolgen muss, so dass dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis zur Satzungsänderung in diesem Kontext zustehe. Umgekehrt sei damit eine Einschränkung der Befugnisse der Gesellschafter verbunden, der kein „schutzwürdiges Interesse“ derselben gegenüberstehe. Auch hierzu kann sich das OLG Hamm auf weitere oberlandesgerichtliche Judikatur bzw. auf Literaturstimmen berufen. Auf die streitige Frage, ob hierzu eine Satzungsänderung notwendig sei, komme es vorliegend nicht an, weil der Beteiligte diese Voraussetzung eingehalten habe. Auf die vom Amtsgericht/Registergericht herangezogene Entscheidung des BVerfG zu 1 BvR 2344/11 komme es wiederum nicht an, da diese aus dem Blick des OLG Hamm nicht einschlägig ist. Durch die Insolvenzeröffnung seien die Rechte der Gesellschafter eingeschränkt, sie würden daher durch die Maßnahme der Firmenänderung nicht darüber hinausgehend berührt.
Die Eintragungsentscheidung selbst sei Sache des Registergerichts, so dass der Senat aufgehoben und zurückverwiesen hat. Es könne sein, dass das Amtsgericht weitere im Beschwerdeverfahren nicht anzusprechende Aspekte berücksichtigen müsse. Dazu könne auch die Beteiligung oder Anhörung anderer Personen im weiteren Fortgang des Verfahrens erforderlich sein – wenn auch der bisherige Aktenstand und Vortrag im Verfahren aus dem Blick des Senats keinen Anlass zu entsprechenden Vermutungen gab.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Auffassung des OLG Hamm entspricht der sich durchsetzenden Rechtsauffassung zu den angesprochenen Fragen, wenn auch Registergerichte dies immer wieder – wie hier – bezweifeln. Die übertragende Sanierung durch Verkauf von Unternehmensteilen ist verbreiteter und rechtlich zuverlässig beherrschbarer Standard der Insolvenzpraxis. Das Unternehmen wie die Firma sind Massebestandteil (§ 35 InsO). Aus den unter Abschnitt A. umrissenen Gründen gehört dazu auch die Veräußerung der Firma der Kapitalgesellschaft, ungeachtet des Umstandes, dass Gesellschafter, deren Namen in die Firma eingegangen ist, hierzu nicht gefragt werden müssen. Zwangsläufig muss dann der in der Insolvenz befindliche Rechtsträger eine Ersatzfirma erhalten, die sachgerecht, „… Abwicklungsgesellschaft“ genannt werden kann. Die Beibehaltung der bisherigen Firma ist nach deren Mitveräußerung mit dem Unternehmensbetrieb oder Teilen hiervon firmenrechtlich ebenso wenig wie wettbewerbsrechtlich möglich und im Übrigen vertragsrechtlich im Übernahmevertrag mit dem Erwerber wie offenbar hier untersagt bzw. das Verbot ergibt sich mindestens aus ergänzender Vertragsauslegung des Übernahmevertrags.
II. Wie das OLG Hamm betont, muss spiegelbildlich zur Veräußerung, die dem Insolvenzverwalter als Verwertungsmaßnahme nach Maßgabe der §§ 80, 159 InsO auferlegt bzw. gestattet ist, auch die Bildung einer Ersatzfirma und die Beantragung der Eintragung derselben durch den Verwalter erlaubt sein. (Teil-)Unternehmensveräußerungen gehören zu den der Zustimmung des Gläubigerausschusses bedürfenden im Verfahren besonders bedeutsamen Maßnahmen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Die Rechte der Gesellschafter werden dadurch nicht über die von der InsO bereits geregelten Einschränkungen hinaus berührt. Die Verwendung des Namens eines Gesellschafters in der mitveräußerten Firma berührt die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit nicht, weil nur der unmittelbar betroffene Gesellschafter ein Recht haben könnte; dieser hat aber seinen Namen durch die Erlaubnis, ihn in der Firma der GmbH zu verwenden, kommerzialisiert und zu deren Vermögensgegenstand gemacht, den er in der Insolvenz den Gläubigern nicht entziehen kann. Die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit werden nach § 199 InsO auf den Liquidationsüberschuss verwiesen. Ihr Recht, Satzungsbestimmungen zu ändern, ist jedenfalls bei der Bildung einer Ersatzfirma nach Veräußerung der bisherigen Firma rechtlich und ökonomisch bei der in der Insolvenz zu liquidierenden Gesellschaft wertlos.
III. Kann demzufolge der Insolvenzverwalter die Firma und damit die Satzung der GmbH insoweit ändern (vgl. die §§ 3 Abs. 1, 53 ff. GmbHG), so befreit diese Befugnis gerade nicht von der Einhaltung des dafür erforderlichen Procedere – mit derjenigen Ausnahme, dass der Insolvenzverwalter an die Stelle der Gesellschafterversammlung tritt.
Mittelbar belegen das auch die für das Insolvenzplanverfahren geltenden Normen der §§ 225a Abs. 3, 254a InsO (vgl. u.a. zur Anmeldebefugnis des Insolvenzverwalters § 254a Abs. 2 Satz 3 InsO). Das umständlichere und aufwändigere Procedere des Insolvenzplans zur Bildung und Eintragung einer Ersatzfirma ist entbehrlich. Allerdings kann auch der (Teil-)Unternehmensverkauf im Rahmen eines Insolvenzplans beschlossen werden, der dann auch die notwendige Satzungsänderung im Hinblick auf die Ersatzfirma einschließen wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Insolvenzverwalter werden Änderungen der Firma des fallierten Unternehmens nach Verkauf auf dem Wege der notariell beurkundeten Satzungsänderung vornehmen.
II. Die Gesellschafter der juristischen Person müssen nicht zustimmen, auch wenn einzelne von ihnen Namensgeber der Kapitalgesellschaft sind. Dasselbe gilt heute nach der Lockerung des Rechts der Firmenbildung durch das Handelsrechtsreformgesetz (01.07.1998) wohl auch für die Personengesellschaft und die Firma des einzelkaufmännischen Unternehmens aufgrund der freiwilligen Kommerzialisierung des Namens in der Firma für nach dem Stichtag gebildete „Personalfirmen“ (anders noch zur Konkursordnung Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1997, § 1 Rn. 15; für die Rechtslage unter der Insolvenzordnung nach der Handelsrechtsreform vgl. Ott/Vuia in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 57 f.). Bei der Kapitalgesellschaft bestand ohnehin nie die Notwendigkeit der Aufnahme des Namens eines Gesellschafters in deren Firma und damit auch nicht der Rücksichtnahme auf sein Namensrecht.
III. Beim Eintragungsantrag wird man neben den anderen insolvenzspezifischen Hinweisen auch die oberlandesgerichtlichen Entscheidungen zu den diesbezüglichen Befugnissen des Insolvenzverwalters in Bezug nehmen. Dort, wo es möglich bzw. opportun ist, kann der Verwalter natürlich die Gesellschafter einbeziehen, sie den entsprechenden Beschluss fassen und den Eintragungsantrag stellenlassen. Die Annexkompetenz des Verwalters steht der Beschlussfassung durch die Gesellschafter nicht entgegen. Diese können aufgrund der ihnen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegebenen Einschränkungen lediglich nicht gegen die Entscheidungen des Insolvenzverwalters in dessen Funktionsbereich Gesellschafterbeschlüsse während der Dauer des Insolvenzverfahrens fassen bzw. umsetzen.

Befugnis des Insolvenzverwalters zu satzungsänderndem Beschluss zur Bildung einer Ersatzfirma für eine GmbH i.L.
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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