Nachfolgend ein Beitrag vom 10.4.2017 von Witt, jurisPR-InsR 7/2017 Anm. 4

Orientierungssätze

1. Die Feststellung einer Überschuldung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einem Neugläubiger hängt nicht zwingend davon ab, dass für diesen konkreten Zeitpunkt aufgrund der noch verfügbaren Geschäftsunterlagen eine Überschuldungsbilanz aufgestellt werden kann. Ist die Insolvenzreife für einen früheren Zeitpunkt bewiesen, so gilt der Nachweis der im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses noch andauernden Verletzung der Insolvenzantragspflicht (Dauerdelikt) jedenfalls bei relativ zeitnah erteilten Aufträgen als geführt, sofern der beklagte Geschäftsführer nicht seinerseits darlegt, dass im Zeitpunkt der Auftragserteilung die Überschuldung nachhaltig beseitigt und damit die Antragspflicht – wieder – entfallen war (BGH, Urt. v. 12.03.2007 – II ZR 315/05).
2. Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) kann einem Neugläubiger dann zustehen, wenn ihm wegen des Vertragsschlusses mit der insolventen Gesellschaft ein Gewinn entgangen ist, den er ohne diesen anderweitig hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 05.02.2007 – II ZR 234/05). Eine solche Konstellation liegt vor, wenn ein Neugläubiger wegen der Lieferungen von Baustoffen an den insolvenzreifen Schuldner ein in gleicher Höhe gewinnbringender Verkauf an dritte Interessenten nicht möglich war. Dies ist anzunehmen, wenn die Baustoffe, die der Neugläubiger herstellt und verkauft, marktgängige Waren sind.

A. Problemstellung

Begründet eine juristische Person nach Eintritt der Insolvenz eine Verbindlichkeit, kann ihr Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO zum Ersatz des dadurch bei dem Vertragspartner entstandenen Schadens verpflichtet sein (Neugläubigerschaden).
Das OLG Brandenburg hatte zu prüfen, wann im Prozess auf Erstattung eines Neugläubigerschadens der Anspruchsteller die (rechnerische) Überschuldung mittels einer Handelsbilanz nachgewiesen hat und welche Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO zu stellen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin hatte im September 2011 Waren an eine Gesellschaft geliefert, über deren Vermögen ca. sechs Monate später das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Bereits im Jahr 2008 kam es bei der Schuldnerin wegen eines Forderungsausfalles zur Krise. Auf Verlangen der Hausbank erstellte Anfang 2010 eine Unternehmensberaterin eine Unternehmensbewertung, in der eine vorläufige Überschuldung festgestellt worden war. Der kurz danach erstellte Jahresabschluss 2009 wies schließlich ein negatives Jahresergebnis aus, welches das von der Unternehmensberaterin zunächst ermittelte Defizit um ein Mehrfaches übertraf und zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von ca. 75.000 Euro führte. Das Folgejahr 2010 schloss mit einem Jahresfehlbetrag ab, der sich gegenüber dem Vorjahr zwar erheblich verringert hatte, jedoch den auf der Aktivseite nach § 268 Abs. 3 HGB ausgewiesenen Fehlbetrag immer noch auf ca. 95.000 Euro vertiefte. Der Insolvenzverwalter hatte in dem Verfahren dann die Masseunzulänglichkeit angezeigt.
Die Klägerin nimmt nunmehr den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Schadenersatz in Höhe der jeweiligen Rechnungsbeträge einschließlich Umsatzsteuer in Anspruch. In der ersten Instanz wurde der Geschäftsführer zur Erstattung des Schadens in Höhe der jeweiligen Rechnungsbeträge (brutto) Zug um Zug gegen Abtretung der Insolvenzforderung verurteilt.
Das OLG Brandenburg hat das erstinstanzliche Urteil mit der Einschränkung bestätigt, dass der Beklagte die Umsatzsteuer nicht zu erstatten habe.
In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass die rechnerische Überschuldung anhand der von der Klägerin vorgelegten handelsrechtlichen Jahresabschlüsse der Schuldnerin festgestellt werden konnte. Stille Reserven könne das in der Bilanz ausgewiesene Gesellschaftsvermögen nicht beinhalten, da weder Grundbesitz noch sonstiges Vermögen vorhanden sei. Hervorgehoben wird, dass die Bewertung des Vermögens sogar aufgrund einer vermeintlich günstigen Fortführungsprognose vorgenommen worden ist, obwohl die Voraussetzungen einer solchen Prognose nicht gegeben waren. Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 InsO „… rechtfertigt eine positive Fortführungsprognose nur die Bewertung des Schuldnervermögens zu Fortsetzungswerten anstelle von Auflösungswerten, so dass eine Überschuldung auch unter dieser Voraussetzung möglich sei. Die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung nimmt dies jedoch hin, wenn die Finanzkraft des Unternehmens zur Fortführung für die Dauer des Prognosezeitraumes ausreicht“. Das Unternehmen müsse nach pflichtgemäßer Einschätzung eines fachkundigen Dritten sanierungsfähig und die zur Sanierung ergriffenen Maßnahmen objektiv geeignet sein, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren. Voraussetzung für eine Fortführung der Schuldnerin wäre ein belastbarer Sanierungsplan gewesen, der sich mit den Schwächen und Entwicklungschancen des Unternehmens auseinandersetzt. Allein ein Vertrauen des Beklagten in die erheblichen Auftragsbestände, auf das dieser verwiesen habe, ersetze solch eine Prognose nicht. Dem Beklagten sei zwar eine gewisse Zeit zur Umsetzung eines Sanierungskonzeptes zuzubilligen, welches aber nur in Ausnahmefällen zwei Jahre überschreiten dürfe. Da hier ein Ausnahmefall nicht erkennbar sei, wäre dem Beklagten ein Umsetzungszeitraum von nicht mehr als einem Jahr zuzubilligen, der aber bereits abgelaufen sei.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Brandenburg kommt hier zwar im Ergebnis zu einer wahrscheinlich sachgerechten Entscheidung, der Weg zum Ergebnis kann aber bei dem wesentlichen Prüfungspunkt „Fortführungsprognose“ nicht überzeugen.
Dass eine Handelsbilanz deutliche Anhaltspunkte für eine Überschuldung liefern kann, wenn stille Reserven nicht vorhanden sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH. Der Anspruchsteller, der für seine Behauptung einer Überschuldung eine Handelsbilanz vorlegt, muss erläutern, aus welchen naheliegenden Anhaltspunkten hinter welchen Positionen stille Reserven stehen könnten oder nicht, so dass sich auch bei Berücksichtigung von handelsrechtlich verdeckten Werten ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt. Der Geschäftsführer hat dann im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast substantiiert vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstige, für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen, Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 229/11 Rn. 17 ff. m.w.N.). Warum die vorliegende Entscheidung des Berufungsgerichts sich nicht konkret auf diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bezieht, ist nicht erkennbar.
Wird über die Betrachtung der Handelsbilanz die rechnerische Überschuldung festgestellt, so liegt nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO eins von zwei Merkmalen einer Überschuldung vor. Dem Umstand, dass die nach HGB bilanzierten Werte gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB grundsätzlich Fortführungswerte sind, kommt auf dieser Stufe der Prüfung einer rechtlichen Überschuldung keine weitere Bedeutung mehr zu. Daher kann die Überlegung des OLG Brandenburg, dass sich die Überschuldung sogar bei Ansatz von Fortführungswerten ergebe, obwohl keine günstige Fortführungsprognose bestehe (Rn. 60), nicht greifen. Des Weiteren wird bei dieser Überlegung nicht berücksichtigt, dass eine rechnerische Überschuldung bereits festgestellt worden ist, nachdem die Möglichkeit etwaiger stiller Reserven ausgeschlossen worden war. Die Vermögenswerte in der handelsrechtlichen Bilanz haben somit weitestgehend die tatsächlichen Vermögenswerte abgebildet und entsprechen folglich mit großer Wahrscheinlichkeit den Werten, die bei Aufstellung einer gesonderten Überschuldungsbilanz anzusetzen wären.
Soweit das Berufungsgericht des Weiteren ausführt, dass nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 InsO eine positive Fortführungsprognose nur die Bewertung des Schuldnervermögens zu Fortsetzungs- anstelle von Auflösungswerten rechtfertige, so dass eine Überschuldung auch unter dieser Voraussetzung möglich sei (Rn. 62), wird noch auf den bis 2008 geltenden „alten“ Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2 InsO zurückgegriffen, der vorliegend aber nicht mehr anzuwenden war. Mit dem anlässlich der Finanzmarktkrise im Eilverfahren geänderten § 19 Abs. 2 InsO (Finanzmarktstabilisierungsgesetz v. 17.10.2008 – FMStG) ist nunmehr bei rechnerischer Überschuldung alleine entscheidend, ob die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Liegt eine solchermaßen positive Fortführungsprognose vor, so kann die rechnerische Überschuldung, gleich nach welchen Ansätzen diese festgestellt worden ist, nicht zur rechtlichen Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO führen. Umgekehrt würde eine negative Fortführungsprognose zwingend dazu führen, dass eine rechtliche Überschuldung nur dann ausscheidet, wenn das nach Liquidationswerten bewertete Vermögen die Schulden abdeckt.
Nachdem das Oberlandesgericht die rechnerische Überschuldung festgestellt hat, hätte es nun also konkret die Kriterien festlegen müssen, nach denen die Fortführung des Unternehmens i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 InsO überwiegend wahrscheinlich wäre, so dass trotz rechnerischer Überschuldung keine rechtliche Überschuldung eingetreten ist. Wenn in der Entscheidung nun ausgeführt wird, dass die Rechtsprechung (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 23.02.2004 – II ZR 207/01 Rn. 11) eine Überschuldung zu Auflösungswerten hinnehmen würde, wenn die Finanzkraft des Unternehmens zur Fortführung für die Dauer des Prognosezeitraumes ausreicht, begibt sich das OLG Brandenburg zwar vom Ansatz her noch in die richtige Richtung, berücksichtigt aber nicht, dass inzwischen der Gesetzgeber die Überschuldung in § 19 Abs. 2 InsO definiert. Eine Legaldefinition gab es in der Konkursordnung noch nicht, so dass der BGH seinerzeit den sog. zweistufigen Überschuldungsbegriff entwickelt hatte. Dieser enthielt auf der zweiten Stufe eine Überlebens- oder Fortführungsprognose, die dann negativ ausfiel, wenn die Finanzkraft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (BGH, Urt. v. 12.07.1999 – II ZR 87/98 Rn. 15). Mit dem FMStG hat der Gesetzgeber das Prinzip des von der Rechtsprechung entwickelten zweistufigen Überschuldungbegriffes zwar wieder aufgegriffen, die bereits ab Einführung der Insolvenzordnung geltende Definition der Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 a.F. InsO) aber beibehalten. Die Wiederbelebung des zweistufigen Überschuldungsbegriffes lässt folglich nicht die bereits zur Insolvenzordnung ergangene Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal „überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung“ obsolet werden, da sich nur die Rechtsfolge, die an dieses Merkmal geknüpft wird, nicht aber das Merkmal selber geändert hat.
Soweit die Entscheidung nun darauf abstellt, dass die Fortführung des Unternehmens objektiv Erfolg versprechen muss, dieses nach pflichtgemäßer Einschätzung eines fachkundigen Dritten sanierungsfähig und die zur Sanierung ergriffenen Maßnahmen objektiv geeignet sein müssen, das Unternehmen in absehbarer Zeit durchgreifend zu sanieren (Rn. 62), bleiben die gestellten Anforderungen an die Fortführungsprognose unscharf und gehen nicht auf den Kern des Merkmals „überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung“ ein. Der BGH hatte bereits konkret zu diesem Merkmal festgestellt, dass eine Fortführungsprognose auf objektiver Seite vor allem eine Prognose der Zahlungsfähigkeit ist, die auf einem schlüssigen Unternehmenskonzept mit Ertrags- und Finanzplan basiert (BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 Rn. 13; vgl. zum Streit über das Kriterium der Ertragsfähigkeit in der Fortführungsprognose etwa Ehlers, ZInsO 2016, 1244). So bleibt auch der Vorhalt des Oberlandesgerichts an den beklagten Geschäftsführer, sein Vortrag enthalte insbesondere keine Angaben, welche Maßnahmen er zur Wiederherstellung des Stammkapitals erfolgreich ergriffen habe, nur im Vagen. Die Wiederherstellung des Stammkapitals ist sicherlich langfristige Folge einer Sanierung, jedoch darf ein Unternehmen auch mit einem angegriffenen Stammkapital „rechtlich leben“, solange das Vermögen die Verbindlichkeiten abdeckt. Auch die Überlegung, die Liquiditätssituation habe sich zwar verbessert, aber der durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag sei vergrößert worden, so dass eine Tendenzwende hinsichtlich der Überschuldung nicht erkennbar sei (Rn. 65), kann nicht überzeugen. Vergleicht man die beiden Jahresergebnisse 2009 und 2010, so hat sich die Ertragslage der Schuldnerin jedenfalls anscheinend deutlich verbessert, was durchaus ein Indiz dafür sein kann, dass die Zahlungsfähigkeit innerhalb eines Jahres überwiegend wahrscheinlich war und die Ertragsfähigkeit mittelfristig wiedererlangt werden könnte. Dann wäre hier zu prüfen, wie sich aus damaliger Sicht des Geschäftsführers der Erhalt der Zahlungsfähigkeit und ggf. die sich verbesserte Ertragslage im darauffolgenden Jahr dargestellt hat.
Auch die Überlegung des Oberlandesgerichts, im vorliegenden Fall könne man dem Geschäftsführer für die Umsetzung eines Sanierungsplans nur ein Jahr einräumen, da ein Ausnahmefall, der einen Zeitraum von zwei Jahren rechtfertigen würde, nicht vorliege, ist nicht zutreffend. Der Verweis an dieser Stelle auf das OLG Köln (Urt. v. 05.02.2009 – 18 U 171/07 Rn. 42) übersieht, dass dort nicht ein Sanierungszeitraum, sondern der Betrachtungszeitraum für die voraussichtliche Zahlungsfähigkeit auf zwei Jahre festgelegt worden ist. Je kürzer dieser Betrachtungszeitraum angesetzt wird, umso geringer wären die Anforderungen an eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung in Bezug auf den Erhalt der Zahlungsfähigkeit. Zu fordern, dass nach einem Jahr auch die Ertragslage wieder hergestellt sein muss, sofern man diese in die Fortführungsprognose einbeziehen will, wäre nicht sachgerecht. Dass das OLG Brandenburg dies verlangen würde, lässt sich den Entscheidungsgründen aber auch nicht entnehmen, da sich diese mit dem Thema „Wiedererlangung der Ertragsfähigkeit“ im Rahmen der Bewertung, ob die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich war, letztlich nicht auseinandersetzt.
Ob das Berufungsgericht hier nun prozessual verpflichtet gewesen wäre, den für das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose darlegungs- und beweispflichtigen Geschäftsführer (BGH, Urt. v. 09.10.2006 – II ZR 303/05 Rn. 3) darauf hinzuweisen, dass es hier an einem konkreten Vortrag zur Prognose der Zahlungsfähigkeit auf objektiver Seite ab Eintritt der rechnerischen Überschuldung fehlt, lässt sich hier nicht beurteilen. Wenn solch ein Hinweis erfolgt wäre, so scheint es jedoch wahrscheinlich, dass der Geschäftsführer hierauf nichts Konkretes hätte vortragen können. Betrachtet man etwa dessen Haupteinwand, es habe ein guter Auftragsbestand vorgelegen, so wird er sich wahrscheinlich tatsächlich nur an das „Prinzip Hoffnung“ geklammert haben, wie das OLG Brandenburg meint.
Zutreffend wird dann in der Entscheidung davon ausgegangen, es genüge die Überschuldung konkret für einen Zeitpunkt festzustellen, der etwa acht Monate vor dem schädigenden Ereignis liegt. Dass von einem Fortbestand der rechtlichen Überschuldung auszugehen ist, wenn diese neun Monate vorher bereits nachgewiesenermaßen bestand, entspricht auch der Ansicht des BGH (Urt. v. 15.03.2011 – II ZR 204/09 Rn. 10).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Praxis wird diese Entscheidung des OLG Brandenburg leider keinen Nutzen bringen. Unter welchen Voraussetzungen anhand einer Handelsbilanz die rechnerische Überschuldung festgestellt werden kann, hat der BGH in gefestigter Rechtsprechung bereits entschieden. Da das Oberlandesgericht bei Prüfung der Fortführungsprognose die jüngere Rechtsprechung und den Stand der Literatur zur Finanzplanung nicht berücksichtigt, sondern nur vage auf eine Sanierungsfähigkeit abstellt, finden sich in der Entscheidung keine überzeugenden Rechtsansichten zu den Kriterien, die an die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Unternehmensfortführung i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO zu stellen sind. Gerade zur kontroversen Diskussion, ob und inwieweit die zukünftige Ertragsfähigkeit zu berücksichtigen ist, hätte dieser Fall beitragen können. So wird sich aber die Bedeutung des Urteils auf den hier abschließend entschiedenen Prozess begrenzen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das Berufungsgericht stellt zwar im Ergebnis zutreffend fest, dass hier der Beklagte nicht die verlangte Umsatzsteuer schulde, jedoch liegt der Grund hierfür nicht in der Frage, ob ein steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegt, worauf die Entscheidung abstellt. Ein Schadensersatzanspruch ist generell kein Umsatzsteuergeschäft. Die auf einen Forderungsausfall entfallende Umsatzsteuer kann vielmehr nur dann als Schaden aus der Pflichtverletzung resultieren, wenn der Geschädigte nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Für den zum Abzug der Vorsteuer berechtigten Unternehmer ist die Umsatzsteuer stets kostenneutral (BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14 Rn. 22) und kann daher keine Vermögenseinbuße mit sich bringen.