Nachfolgend ein Beitrag vom 19.6.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 25/2017 Anm. 3
Leitsätze
1. Besteht die Gegenleistung bei einer Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in der Abtretung einer Forderung, kommt es grundsätzlich auf deren Werthaltigkeit im Veräußerungszeitpunkt an.
2. Werden Anteile an die nämliche Gesellschaft veräußert und dort zu eigenen Anteilen, führt eine verbilligte Veräußerung zum Vorliegen einer verdeckten Einlage.
A. Problemstellung
In der aktuellen Entscheidung hat sich der BFH zu dem in der Praxis nicht selten übersehenen Fall geäußert, dass eine verdeckte Einlage auch vorliegt, wenn Anteile auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden, an der eine dem Steuerpflichtigen nahestehende Person beteiligt ist, und dort zu eigenen Anteilen werden und keine nach dem Wert der übertragenen Anteile bemessene Bar- oder Sachvergütung erfolgt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin hielt als Gesellschafter-Geschäftsführerin im Streitjahr 2008 zwei Anteile i.H.v. 37.200 Euro und 25.800 Euro am Stammkapital der A-GmbH. Neben der Klägerin waren noch ihr Bruder und ihre Mutter als Gesellschafter beteiligt. Das gesamte Stammkapital belief sich auf 150.000 Euro. Die Klägerin veräußerte mit notariellem Vertrag vom 05.12.2008 ihre Anteile mit Wirkung zum 31.12.2008 an die A-GmbH. Der Kaufpreis betrug 440.000 Euro; er war wie folgt zu zahlen:
• Teilverrechnung mit abgetretenen Forderungen i.H.v. 327.322 Euro,
• Teilverrechnung mit Sollsaldo des bei der GmbH für die Klägerin bestehenden Verrechnungskontos i.H.v. 55.338 Euro,
• Zahlung von 57.339 Euro.
Laut Forderungsabtretungsvertrag vom 05.12.2008 trat die A-GmbH drei Forderungen über insgesamt 327.322 Euro an die Klägerin ab. Dabei handelte es sich um eine Darlehensforderung gegen die Z-Gesellschaft in X (Ausland) über 31.924 Euro, eine Forderung aus Lieferungen und Leistungen gegen die Z-Gesellschaft über 183.408 Euro und eine Darlehensforderung gegen den späteren Ehemann der Klägerin über 111.990 Euro. An der Z-Gesellschaft waren sowohl die Klägerin als auch ihr Bruder beteiligt. Ihr späterer Ehemann war Managing Director bei der Z-Gesellschaft.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2008 machte die Klägerin geltend, dass die abgetretenen Forderungen gegen die Z-Gesellschaft uneinbringlich seien und der Veräußerungspreis von 440.000 Euro um diese Beträge zu kürzen sei. Der Veräußerungsgewinn betrage daher nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens nur 80.833 Euro. Die Z-Gesellschaft bestätigte mit Schreiben vom 20.12.2010, wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft seien keine Rückzahlungen aus den o.g. Forderungen an die Klägerin erfolgt. Das Finanzamt ging dagegen davon aus, dass die mögliche Uneinbringlichkeit der Forderungen erst für 2010 Bedeutung habe und für das Streitjahr der vereinbarte Kaufpreis von 440.000 Euro maßgeblich sei. Damit betrage der Veräußerungsgewinn 188.500 Euro. Ein entsprechender Einkommensteuerbescheid für 2008 erging am 05.04.2011.
Das FG Kassel (Urt. v. 28.01.2016 – 10 K 2572/12 – EFG 2016, 639) hatte die dagegen erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt habe den Veräußerungsgewinn zutreffend ermittelt. Veräußerungspreis i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG sei der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer am maßgebenden Stichtag erlange. Hier habe die Klägerin im Veräußerungszeitpunkt eine Geldforderung über 440.000 Euro erhalten. Die Klägerin habe die Forderungsabtretung als Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) erhalten. Auf die Frage, ob die Forderungen gegen die Z-Gesellschaft im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile an der A-GmbH wertlos waren oder später uneinbringlich geworden seien, komme es somit nicht an.
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 FGO). Zwar habe das Finanzgericht die Werthaltigkeit der Forderung gegen die Z-Gesellschaft nicht geprüft, obwohl die Klägerin als Gegenleistung für die Übertragung der Anteile am 31.12.2008 u.a. die am 05.12.2008 – zeitgleich mit dem schuldrechtlichen Veräußerungsvertrag hinsichtlich der Anteile – abgetretene Forderung gegen die Z-Gesellschaft erhalten hatte. Diese an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) geleistete Forderung sei aufgrund des Abtretungsvertrags vom 05.12.2008 Bestandteil des Veräußerungserlöses.
Gleichwohl komme es für die Höhe des steuerlich relevanten Veräußerungserlöses auf die Werthaltigkeit der Forderungen am 31.12.2008 – dem Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns und zugleich dem Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht – nicht entscheidungserheblich an. Denn selbst wenn das Finanzgericht im Hinblick auf die von der Klägerin erstinstanzlich eingereichten Unterlagen der Auffassung der Klägerin gefolgt wäre und den Wert der abgetretenen Forderungen im Veräußerungszeitpunkt mit 0 Euro oder mit einem Zwischenwert angesetzt hätte, hätte die Klägerin einen Veräußerungserlös i.H.v. 440.000 Euro zu versteuern gehabt.
Das Finanzgericht sei im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von einem Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils i.H.v. 440.000 Euro ausgegangen. Es liege jedenfalls eine verdeckte Einlage in die Gesellschaft vor. Diese sei nach § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG mit dem gemeinen Wert des Anteils, der verdeckt eingelegt wird, anzusetzen. Denn eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft stehe ausdrücklich einer entgeltlichen Veräußerung unter Ansatz des gemeinen Werts der eingelegten Anteile als Veräußerungspreis gleich (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Daher komme es in tatsächlicher Hinsicht auf eine Bewertung der an die Klägerin abgetretenen Forderungen nicht entscheidungserheblich an. Entspreche der gemeine Wert der Forderungen wie vom Finanzamt vorgetragen dem Nennwert i.H.v. 327.322 Euro, seien die Forderungen als Sachleistung, die nach § 364 Abs. 1 BGB geleistet wird, Gegenstand des Veräußerungspreises und damit in die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG einzubeziehen. Belaufe sich der gemeine Wert der Forderungen gegen die Z-Gesellschaft – wie von der Klägerin vorgetragen – wegen Uneinbringlichkeit auf 0 Euro, liege in der Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Wert von 440.000 Euro an die A-GmbH zu einem Veräußerungserlös i.H.v. lediglich 224.667 Euro eine gemischte verdeckte Einlage mit einem gemeinen Wert in entsprechender Höhe. Dieser sei bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Die Sache sei spruchreif. Das Finanzgericht habe den Veräußerungsgewinn im Ergebnis zutreffend ermittelt und die Klage damit zu Recht als unbegründet abgewiesen. Auf die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, die sich mit der vom Finanzgericht unterlassenen Wertermittlung der abgetretenen Forderung befasse, komme es daher nicht entscheidungserheblich an.
C. Kontext der Entscheidung
I. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar mit mindestens 1% beteiligt war und er die Beteiligung im Privatvermögen hielt. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG steht die verdeckte Einlage von Anteilen der Veräußerung gleich. Veräußerungsgewinn ist dabei der Betrag, um den der Veräußerungspreis und der gemeine Wert der verdeckt eingelegten Anteile nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigen (§ 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG).
Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH, Urt. v. 18.11.2014 – IX R 30/13 – BFH/NV 2015, 489 m. Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 21/2015 Anm. 3; Schießl, HFR 2015, 333).
Veräußerungspreis i.S.v. § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des – dinglichen – Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH, Urt. v. 13.10.2015 – IX R 43/14 – BStBl II 2016, 212 m. Anm. Schießl, jurisPR-SteuerR 51/2016 Anm. 3; BFH, Urt. v. 18.11.2014 – IX R 30/13 – BFH/NV 2015, 489). Besteht die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern, ist der Veräußerungspreis insoweit mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Grundsätzlich kommt es dafür auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an. Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es ausnahmsweise dann auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen.
Vor allem die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebietet es, im Interesse einer sachgerechten, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen. Das schließt die Bewertung einer Sachleistung am Tag des Gefahrübergangs (Erfüllung) ein, denn vorher hat der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten (BFH, Urt. v. 13.10.2015 – IX R 43/14 – BStBl II 2016, 212 m. Anm. Schießl, jurisPR-SteuerR 51/2016 Anm. 3). Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises nicht mehr. Vereinbarungen, durch welche eine bereits erfüllte Gegenleistung noch einmal geändert wird, wirken nach der Rechtsprechung nur dann auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war (BFH, Urt. v. 13.10.2015 – IX R 43/14 – BStBl II 2016, 212).
Ist nach den Vereinbarungen der Beteiligten Bestandteil des Kaufpreises eine Kapitalforderung, ist diese grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen, soweit nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BewG). Besondere Umstände, die eine vom Nennwert abweichende niedrigere Bewertung in diesem Sinne begründen, liegen beispielsweise vor, wenn die Realisierbarkeit einer Forderung nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unsicher erscheint, weil es infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zweifelhaft ist, ob diese Forderung in voller Höhe beigetrieben werden kann. Ist die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners uneinbringlich, bleibt sie außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 BewG, vgl. BFH, Urt. v. 16.06.2015 – IX R 28/14 – BFH/NV 2015, 1679 m. Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 1/2016 Anm. 5).
II. Die verdeckte Einlage von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft steht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG der Veräußerung der Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gleich. Dabei tritt an die Stelle des Veräußerungspreises nach § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG der gemeine Wert der Anteile. Eine verdeckte Einlage ist – im Gegensatz zur offenen Einlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten – die Zuwendung eines einlagefähigen Vermögensvorteils seitens eines Anteilseigners oder einer ihm nahestehenden Person an seine Kapitalgesellschaft ohne wertadäquate Gegenleistung. Weitere Voraussetzung ist, dass die Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Bleibt ein vereinbarter Kaufpreis hinter dem Wert eines eingelegten Anteils an einer Kapitalgesellschaft zurück, liegt eine gemischte verdeckte Einlage vor. Eine verdeckte Einlage liegt auch vor, wenn Anteile auf die nämliche Kapitalgesellschaft übertragen werden, an der der Steuerpflichtige oder eine nahestehende Person beteiligt ist und dort zu eigenen Anteilen werden und keine nach dem Wert der übertragenen Anteile bemessene Bar- oder Sachvergütung erfolgt (BFH, Urt. v. 14.07.2009 – IX R 6/09 – BFH/NV 2010, 397; BFH, Urt. v. 20.01.2016 – II R 40/14 – BFHE 252, 453; BFH/NV 2016, 848 m. Anm. Podewils, jurisPR-SteuerR 19/2016 Anm. 5). Eine verdeckte Einlage kann somit vorliegen, wenn die Anteile an eine Gesellschaft übertragen werden, an der eine nahestehende Person beteiligt ist und wenn der einlegende Gesellschafter zugleich aus der Gesellschaft ausscheidet (BFH, Urt. v. 20.01.2016 – II R 40/14 – BFHE 252, 453; BFH/NV 2016, 848 m. Anm. Podewils, jurisPR-SteuerR 19/2016 Anm. 5).
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Der BFH betont die Bedeutung der in der Praxis nicht selten übersehenen Prüfung, ob eine verdeckte Einlage als der Veräußerung gleichgestellter Tatbestand i.S.d. § 17 EStG vorliegt, und führt seine Rechtsprechung insoweit konsequent fort: Werden Anteile an die Kapitalgesellschaft übertragen, an der eine dem Steuerpflichtigen nahestehende Person beteiligt ist, und werden sie dort zu eigenen Anteilen, führt eine verbilligte Veräußerung zum Vorliegen einer gemischten verdeckten Einlage.
II. In Bezug auf den zweiten Themenkreis der Entscheidung – die Gegenleistung bei einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen bestand in der Abtretung einer Forderung – sind insbesondere zwei Dinge besonders zu beachten:
1. Grundsätzlich kommt es auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an. Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es aber ausnahmsweise dann auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen (dazu grundlegend BFH, Urt. v. 13.10.2015 – IX R 43/14 – BStBl II 2016, 212 m. Anm. Schießl, jurisPR-SteuerR 51/2016 Anm. 3).
2. Kommt es auf die Werthaltigkeit einer Forderung bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns an, ist das Finanzgericht verpflichtet, sich mit der Bewertung der abgetretenen Forderung auseinanderzusetzen, ggf. kann zur Wertermittlung auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig sein.