Nachfolgend ein Beitrag vom 26.07.2016 von Wittmann/Bürger, jurisPR-HaGesR 7/2016 Anm. 6

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Für die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers ist grundsätzlich ein ausdrücklicher Gesellschafterbeschluss Wirksamkeitsvoraussetzung. Insbesondere ist ein Kündigungsbeschluss regelmäßig nicht konkludent in einem Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers und die Einziehung seiner Geschäftsanteile enthalten.
2. Aus § 38 GmbHG ergibt sich, dass es kein dienstvertragliches Recht des Geschäftsführers gibt, in seinem Amt zu verbleiben. Den Interessen des Geschäftsführers wird durch die Regelung des insoweit anwendbaren § 615 BGB ausreichend Rechnung getragen.

A. Problemstellung

Das OLG München hatte über die Wirksamkeit der Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages zu entscheiden. In Folge von Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschafter-Geschäftsführern der Beklagten setzten sich diese in einer Vielzahl von Prozessen auseinander. Schwerpunkt der Entscheidung waren Fragen danach, ob die Gesellschaft wirksam einen Beschluss zur Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages des Klägers gefasst hatte und ob diesem, trotz der Unmöglichkeit der Erbringung der Geschäftsführerdienste, Ansprüche auf die von ihm begehrte Vergütung zustanden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

An der beklagten Gesellschaft waren zu gleichen Teilen der Kläger sowie zwei weitere Gesellschafter beteiligt, die jeweils auch einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten waren. Nachdem es zwischen den Gesellschaftern zu Unstimmigkeiten über die zukünftige Geschäftspolitik des Unternehmens gekommen war, kündigte der Kläger seinen Geschäftsführerdienstvertrag im Dezember 2009 zum 31.12.2010. Nachdem zunächst der Kläger, ohne zuvor seine Mitgesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung zu laden, beschlossen hatte, die weiteren Gesellschaftergeschäftsführer mit sofortiger Wirkung abzuberufen und deren Anstellungsverhältnisse aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, wogegen sich diese gerichtlich zur Wehr setzten, wurde der Kläger auf einer Gesellschafterversammlung vom 25.02.2010 als Geschäftsführer abberufen und die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers beschlossen.
Mit rechtskräftigem Urteil des OLG München (Urt. v. 10.01.2013 – 23 U 2274/12) wurde unter anderem festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 25.02.2010 hinsichtlich der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und der Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers wirksam seien. Soweit darüber hinaus die Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses zur fristlosen Kündigung des Geschäftsführervertrages des Klägers beantragt war, wurde die Klage wegen Beschlussunfähigkeit der Gesellschafterversammlung wegen eines Ladungsmangels abgewiesen.
Eine Kopplungsklausel enthielt der Geschäftsführerdienstvertrag des Klägers nicht.
Der Kläger klagte u.a. auf rückständige Gehaltsansprüche. Das Landgericht (LG Traunstein, Urt. v. 04.05.2015 – 7 O 804/13) wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG München dem Anspruch auf rückständige Gehaltszahlung unter Anrechnung des Verdienstes des Klägers im Jahr 2010 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Geschäftsführerdienstvertrag des Klägers durch die Beklagte nicht wirksam außerordentlich gekündigt wurde, was es bereits in einem anderen Verfahren (OLG München, Urt. v. 10.01.2013 – 23 U 2274/12) entschieden hatte. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der erforderliche Kündigungsbeschluss nicht in den in der Gesellschafterversammlung am 25.02.2010 gefassten Beschlüssen über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Einziehung seiner Geschäftsanteile enthalten. Aus der rechtlichen Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis folge grundsätzlich, dass beide Rechtsverhältnisse rechtlich selbstständig nebeneinander stehen und demgemäß auch rechtlich unabhängig voneinander nach den jeweils dafür geltenden Vorschriften beendet werden können (BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02), wofür es zweier getrennter Beschlüsse bedurft hätte. Der Sachverhalt sei auch nicht mit der dem Urteil des OLG Düsseldorf (Urt. v. 10.10.2003 – I-17 U 35/03) zugrunde liegenden Konstellation vergleichbar, in der die Parteien in der praktischen Handhabung nicht deutlich zwischen Organstellung einerseits und Anstellungsverhältnis andererseits unterschieden hatten und der Beschlussfassung über die Abberufung eine unwirksame Kündigung vorausgegangen war. Im vorliegenden Fall differenzierten sowohl der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen Abberufung und Kündigung und war der Unterschied auch den Parteien bewusst, was sich nicht zuletzt daran zeige, dass in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25.02.2010 ein eigenständiger – wenn auch unwirksamer – Beschluss über die fristlose Kündigung gefasst wurde. Dementsprechend könne auch in dem wirksamen Einziehungsbeschluss kein konkludenter Beschluss über die Kündigung des Dienstvertrages des Klägers gesehen werden, der automatisch auch zu einer Beendigung des Geschäftsführerdienstvertrages führen würde.
Da die übrigen Gesellschafter zudem ihren Willen zur Kündigung des Geschäftsführer auch nicht anderweitig zum Ausdruck gebracht hätten, liege auch eine konkludente Beschlussfassung (unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 20.12.1982 – II ZR 110/82) nicht vor.
Es läge, so das OLG München, auch keine Bestätigung des unwirksamen Beschlusses gemäß § 141 BGB vor, da die Bestätigung eines erneuten Beschlusses bedurft hätte und die Beklagte bzw. ihre Gesellschafter auch keine Zweifel an der Wirksamkeit des Kündigungsbeschlusses hatten bzw. dessen Unwirksamkeit kannten.
Aufgrund des bis zum Ende des Jahres 2010 wirksam fortbestehenden Geschäftsführerdienstvertrages stand dem Kläger die weitere Zahlung der Vergütung gemäß den §§ 611 Abs. 1 i.V.m 615 Satz 1 BGB zu. Die Beklagte habe sich bis zur Beendigung des Geschäftsführerdienstvertrages in Annahmeverzug gemäß den §§ 293 ff. BGB befunden. Zwar liege Unmöglichkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vor, da dem Kläger aufgrund seiner wirksamen Abberufung die Erbringung seiner geschuldeten Arbeitsleistung als Geschäftsführer gemäß § 275 BGB unmöglich geworden sei, weil ein anstellungsvertragliches Recht des Geschäftsführers nach Abberufung auf weiteren Verbleib im Amt ausgeschlossen sei (BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02). Das OLG München erklärt in der Folge, nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den verschiedenen in der Literatur und der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen und Begründungen, § 615 BGB auch dann für anwendbar, wenn die durch den Geschäftsführer zu erbringende Dienstleistung infolge der Abberufung unmöglich werde. Schließlich legt das Gericht dar, warum sich die Beklagte mit der vom Kläger angebotenen Dienstleistung in Annahmeverzug befand und begründet dies letztlich für den entschiedenen Einzelfall damit, dass sich im Rahmen der Gesamtschau der Umstände sich keine derartig schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Beklagten feststellen lasse, die ausnahmsweise zu einem Ausschluss des Annahmeverzuges führen würde, zumal die Beklagte nicht gehindert war, aufgrund der Handlungen des Klägers weitere außerordentliche Kündigungen nach dem Ausschluss des Klägers zu beschließen und auszusprechen, die jeweils – so das OLG colorandi causa – eine außerordentliche Kündigung unproblematisch gerechtfertigt hätten.

C. Kontext der Entscheidung

Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern werden oft hochemotional und ausdauernd geführt, wie auch die zahlreichen Verweise des Oberlandesgerichts auf andere, zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits geführte, Gerichtsverfahren zeigen. Solche Verfahren, in denen wirtschaftliche und rationale Überlegungen oft hinter prinzipielle und Gerechtigkeitserwägungen der jeweils betroffenen Partei zurücktreten (aus Sicht des Beraters „müssen“), weisen oft eine gewisse Eigendynamik auf, der angemessen begegnet werden muss.
Die in der Entscheidung diskutierten Punkte zu den Erfordernissen getrennter Beschlüsse über die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags sind größtenteils obergerichtlich geklärt (statt vieler K. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 70, m.w.N.).
Uneinheitlich wurde hingegen die Frage nach Vergütungsansprüchen des abberufenen GmbH-Geschäftsführers diskutiert (Überblick bei Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497). Dabei ist die Diskussion über die dogmatische Verortung der Anspruchsgrundlage, namentlich ob sich diese aus § 326 Abs. 2 BGB oder § 615 BGB ergibt, sicherlich von wissenschaftlichem Interesse, für den Praktiker sind die Auswirkungen gleichwohl überschaubar. Auszugehen ist von der Aussage des BGH (Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 76/11 Rn. 15), dass GmbH-Geschäftsführer damit leben müssen – anders als der Vorstand einer AG, der nur aus wichtigen Grund abberufen werden kann (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG) –, jederzeit abberufen werden zu können, aber nur „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ (§ 38 Abs. 1 GmbHG), woraus der BGH ableitet, dass den Interessen des abberufenen GmbH-Geschäftsführers dadurch Rechnung getragen wird, dass seine Vergütungsansprüche mit der Einschränkung aus § 615 Satz 2 BGB bestehen bleiben (BGH, Urt. v. 06.03.2012 – II ZR 76/11).

D. Auswirkungen für die Praxis

Berater von GmbH-Geschäftsführern werden diesen aus Gründen anwaltlicher Vorsicht jedenfalls anzuraten haben, dass der abberufene und gekündigte GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft seine Dienste weiterhin anbietet, um den Annahmeverzug der Gesellschaft herbeizuführen, wozu wenigstens erforderlich ist, dass der Dienstverpflichtete der Kündigung eindeutig widerspricht (BGH, Urt. v. 13.03.1986 – IX ZR 65/85).
Berater von Gesellschaften oder Gesellschaftern sollten sicherstellen, dass die formalen Voraussetzungen für die Abberufung und die (außerordentliche) Kündigung des abzuberufenden Geschäftsführers eingehalten werden, auch wenn dies angesichts der bereits erwähnten Eigendynamik der jeweiligen Situation oft schwer fällt und den Beteiligten mitunter nur schwer zu vermitteln ist, weil das Fehlverhalten ja „klar auf der Hand liege“. Zudem sollte jedes weitere Fehlverhalten des Abberufenen sorgfältig dokumentiert und bei Zweifeln an der Wirksamkeit des jeweiligen Beschlusses erneute (ggf. Bestätigungs-)Beschlüsse gefasst werden und eine erneute außerordentliche Kündigung erklärt werden.