Nachfolgend ein Beitrag vom 23.5.2016 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 21/2016 Anm. 1

Leitsatz

Erhält ein (Schein-)Gesellschafter eine von der Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen, kann wegen des danach nur eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine Mitunternehmerstellung nur bejaht werden, wenn eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt. Hieran fehlt es jedoch, wenn zwar eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis besteht, von dieser aber tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen sind.

A. Problemstellung

Die Entscheidung zeigt beispielhaft, dass es für die Annahme einer Mitunternehmerstellung stets auf die Gesamtwürdigung aller Umstände ankommt. Eine Gesellschafterin hatte nur Anspruch auf eine von dem durch sie erzielten Umsatz abhängige Gewinnbeteiligung. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Finanzgerichts war sie nicht an den stillen Reserven der Praxis beteiligt und hatte auch keinen Anspruch auf eine Abfindung im Falle ihres Ausscheidens aus der Praxis. Schließlich folgerte der BFH mangels einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung über eine Beteiligung an den immateriellen Werten, dass sie auch nicht an dem für Freiberufler besonders bedeutsamen Praxiswert beteiligt war. War somit das Mitunternehmerrisiko bereits erheblich eingeschränkt, fehlte es auch an einer besonders starken Mitunternehmerinitiative, weil sie trotz der vereinbarten gemeinsamen Geschäftsführung von wesentlichen Bereichen ausgeschlossen war.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger betrieben gemeinschaftlich eine Arztpraxis. Im Jahre 1998 schlossen sie mit der Beigeladenen zu 1), die ebenfalls Ärztin ist, einen „Vertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis“ (abgekürzt GV) in der Rechtsform einer GbR. Hiernach sollte die Geschäftsführung gemeinschaftlich ausgeübt werden; Entscheidungen waren mehrheitlich zu treffen (§ 8 Abs. 1). Jeder Gesellschafter konnte die Einberufung einer Gesellschafterversammlung verlangen (§ 8 Abs. 2). Für alle künftig aus der Gemeinschaftspraxis entstehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kassen und den Patienten sollten die Vertragspartner als Gesamtschuldner haften. Die Partner waren jedoch im Verhältnis zueinander nach dem Grad des jeweiligen Verschuldens zum Ausgleich verpflichtet (§ 9 Abs. 1). Die Beigeladene zu 1) war bis zum 31.03.2001 „zu Null an den materiellen Werten der Gemeinschaft beteiligt“ (§ 11 Abs. 2). Ihr wurde jedoch das Recht eingeräumt, mit Wirkung zum 31.03.2001 ein Drittel „der Praxis“ zu erwerben. In diesem Fall sollte der Kaufpreis durch einen Gutachter ermittelt werden (§ 11 Abs. 4). Die Beigeladene zu 1) sollte bis zum 31.03.2001 jährlich „37% vom eigenen Honorarumsatz für die ersten 200.000 DM“ und „42% vom eigenen Honorarumsatz für die darüberliegende Summe“ erhalten, „sofern ein entsprechender Gewinn erzielt wird“. Nach Ausübung der Option zur finanziellen Beteiligung sollte sie einen Gewinn- oder Verlustanteil entsprechend ihrer Beteiligung erhalten (§ 12 Abs. 1 lit. b). Regelungen zur Schmälerung des „Honorarumsatzes“ und zur „Umsatzberechnung“ waren in § 12 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages enthalten. Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters sahen die vertraglichen Regelungen keine Abfindungszahlungen vor.
Die Beigeladene zu 1) machte von der ihr eingeräumten Erwerbsoption zum 31.03.2001 keinen Gebrauch. Der Gesellschaftsvertrag wurde unverändert fortgeführt. Im Jahr 2011 veräußerte der Kläger zu 2) seinen Gesellschaftsanteil an einen anderen Arzt. Die Beigeladene zu 1) erwarb unmittelbar im Anschluss daran von diesem und dem Kläger zu 1) jeweils einen 2,5%igen Gesellschaftsanteil.
Das beklagte Finanzamt war der Auffassung, die Beigeladene zu 1) sei nicht Mitunternehmerin der GbR. Für das Jahr 2007 lehne es die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die dreigliedrige GbR ab. Es erließ zudem einen Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für eine aus den Klägern bestehende, zweigliedrige GbR, in dem es Einkünfte aus Gewerbebetrieb feststellte und den Gesellschaftern jeweils zur Hälfte zurechnete. Die von den Klägern hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht als unbegründet ab (FG Düsseldorf, Urt. v. 19.09.2013 – 11 K 3968/11 F – EFG 2014, 840). Die Revision hatte keinen Erfolg. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft sei auch Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dies sei er nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben könne und ein Mitunternehmerrisiko trage. Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterschieden sich dabei grundsätzlich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (z.B. BFH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII R 42/10 – BStBl II 2013, 79).
II. Mitunternehmerrisiko bedeute gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko werde im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn sei für die Annahme einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich obligatorisch (z.B. BFH, Urt. v. 01.07.2010 – IV R 100/06 – BFH/NV 2010, 2056, dazu Steinhauff, StBW 2010, 888). Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage sei indes unschädlich, denn auch der Kommanditist nehme nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil. Mitunternehmerinitiative bedeute vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend sei bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert seien, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprächen.
Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos könnten im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (z.B. BFH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII R 42/10). Dementsprechend sei der Umstand, dass ein Gesellschafter weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen der Gesellschaft teilhabe, nicht ohne weiteres geeignet, dessen Mitunternehmerstellung auszuschließen. Habe die fehlende Beteiligung am Gewinn und Verlust des Unternehmens wie bei einer Komplementär-GmbH zur Folge, dass sich das Unternehmerrisiko auf eine unbeschränkte Haftung für die Schulden einer KG begrenze und damit die Regelanforderungen an das Vorliegen mitunternehmerischen Risikos nicht erfüllt würden, könne Letzteres durch eine starke Ausprägung der Initiativrechte kompensiert werden (z.B. BFH, Urt. v. 25.04.2006 – VIII R 74/03 – BStBl II 2006, 595). Auch auf die grundsätzlich erforderliche Beteiligung an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts/Geschäftswerts des Unternehmens könne verzichtet werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles das insoweit eingeschränkte Mitunternehmerrisiko durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werde (BFH, Urt. v. 01.07.2010 – IV R 100/06).
III. Die Beigeladene zu 1) sei, unterstelle man ihre Stellung als zivilrechtliche Gesellschafterin, nicht als Mitunternehmerin anzusehen.
1. Die Beigeladene zu 1) sei nicht am Gewinn der GbR beteiligt, an deren Verlust habe sie nur begrenzt teilgenommen. Zudem sei sie von einer Teilhabe an den stillen Reserven ausgeschlossen gewesen, so dass sich für sie – auch unter Berücksichtigung des von ihr als (Schein-)Gesellschafterin zu tragenden Haftungsrisikos – lediglich ein geringes Mitunternehmerrisiko ergeben habe, das nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen worden sei.
Die in § 12 des GV vorgesehene Regelung gewähre der Beigeladenen zu 1) – ungeachtet der Bezeichnung als „Gewinnbeteiligung“ – nur eine umsatzabhängige Vergütung. Denn die Höhe ihrer Vergütung sei maßgeblich von dem von ihr selbst erwirtschafteten Umsatz abhängig gewesen. Dieser habe die Grundlage für die Berechnung des der Beigeladenen zu 1) zustehenden Entgeltes gebildet.
2. Das vereinbarte Umsatzentgelt wirkte nach Inhalt und Handhabung der Gesamtabrede auch nicht „wie eine Gewinnbeteiligung“ (hierzu vgl. BFH, Urt. v. 18.04.2000 – VIII R 68/98 – BStBl II 2001, 359 Rn. 30). Eine solche Wirkung ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die Vergütung der Beigeladenen zu 1) vom Vorhandensein eines entsprechend hohen Gewinns der GbR abhängig gewesen sei. Hieraus folge lediglich eine Begrenzung des Vergütungsanspruchs. Dieser habe entfallen sollen, wenn die GbR keinen entsprechenden Gewinn erzielte. Die Abrede führe aber – wie eine Umsatzbeteiligung, die in Verlustjahren entfalle (hierzu: Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rn. 322; vgl. BFH, Urt. v. 04.07.1989 – VIII R 139/85 – BFH/NV 1990, 160) – nicht zu einer (verdeckten) Gewinnbeteiligung der Beigeladenen zu 1).
3. Eine Qualifizierung als Gewinnanspruch lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass die vertragliche Abrede zu einem „Vorrang“ des Anspruchs der Beigeladenen zu 1) gegenüber den Gewinnansprüchen der Kläger führte. Vielmehr spreche ein solches „Rangverhältnis“ für das Vorliegen einer Tätigkeitsvergütung, deren Höhe grundsätzlich vom Gewinn unabhängig sei, die aber bestimmten, an den Gewinn anknüpfenden Faktoren unterliege.
Die weitere – außerhalb des schriftlichen Gesellschaftsvertrages bestehende – Abrede der Beteiligten zu den Umsätzen mit Kassenpatienten spreche ebenfalls nicht für eine Gewinnbeteiligung der Beigeladenen zu 1). Auch insoweit handele es sich lediglich um eine Abrede zur Ermittlung der Höhe der umsatzabhängigen Vergütung.
Die tatsächliche Handhabung der Vertragsbeteiligten bestätige diese Würdigung. Eine am Gewinn der GbR orientierte Abrechnung habe gegenüber der Beigeladenen zu 1) nicht stattgefunden. Am Verlust der GbR habe die Beigeladene zu 1) infolge der Abhängigkeit ihres Vergütungsanspruchs von einem entsprechend hohen Gewinn der GbR nur begrenzt teilgenommen. Auch wenn ihr Vergütungsanspruch durch die fragliche Abrede in gewisser Weise mit dem wirtschaftlichen Erfolg der GbR verknüpft gewesen sei, sei hieraus keine umfassende Teilhabe am Verlust herzuleiten.
Diese Würdigung des Finanzgerichts werde durch § 12 Abs. 1 lit. b des GV, wonach die Beigeladene zu 1) erst „nach Ausübung der Option zur finanziellen Beteiligung“ einen „Gewinn- oder Verlustanteil entsprechend“ ihrer „Beteiligung“ habe erhalten sollen, gestützt.
4. Auch aus § 722 BGB folge kein anderes Ergebnis. Diese Regelung enthalte lediglich einen Maßstab für die Gewinn- und Verlustverteilung, begründe aber keinen selbstständigen Anspruch (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 722 Rn. 1). Sie setze voraus, dass im Wege der Vertragsauslegung zunächst zu ermitteln sei, ob eine entsprechende Teilhabe am Gewinn und Verlust vereinbart sei. Sei dies der Fall, könne im Zweifel bei fehlender Vereinbarung zum Maßstab der Verteilung auf § 722 BGB zurückgegriffen werden. Im Streitfall sei aber nicht zu erkennen, dass die Beigeladene zu 1) bereits vor Ausübung der ihr eingeräumten Erwerbsoption am Gewinn und Verlust der GbR habe teilhaben sollen.
5. Ebenso wenig sei die Feststellung des Finanzgerichts zu beanstanden, der Gesellschaftsvertrag biete keine hinreichende Gewähr für eine Beteiligung der Beigeladenen zu 1) an den stillen Reserven der GbR. Die Beigeladene zu 1) sei an den „materiellen Werten“ der GbR nicht (vgl. § 11 Abs. 2 des GV) und nach den bindenden Feststellungen des Finanzgerichts zur Durchführung jener Vereinbarungen, und zwar über den Optionsstichtag des 31.03.2001 hinaus, beteiligt gewesen. Danach seien Praxiseinrichtung, Bankguthaben und Darlehensverbindlichkeiten allein den Klägern zugerechnet worden, die auch die Betriebs- und Finanzierungskosten der Praxis getragen hätten.
Zur Beteiligung der Gesellschafter an den immateriellen Wirtschaftsgütern der GbR fehle eine ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag. Die Vertragsbeteiligten hätten ausdrücklich eine von § 718 Abs. 1 BGB abweichende Regelung getroffen. Zum anderen sprächen die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen (§ 11 Abs. 4 GV), die offenbar im Zusammenhang mit einem angedachten, späteren „echten Einstieg“ der Beigeladenen zu 1) in die GbR getroffen worden seien, ebenso wie deren Durchführung gegen eine Beteiligung der Beigeladenen zu 1) an den immateriellen Wirtschaftsgütern der GbR.
IV. Auch wäre der Erwerbsvorgang im Jahr 2011 mit einer bereits vorab erfolgten vermögensmäßigen Beteiligung der Beigeladenen zu 1) nicht in Einklang zu bringen. Aus den Regelungen zum Ausscheiden von Gesellschaftern bzw. aus der „Konkurrenzklausel“ (§ 22 GV) ergebe sich kein anderes Ergebnis. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine Abrede über eine Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters, sondern lediglich ein Wettbewerbsverbot. Hätte man die Beigeladene zu 1) an den immateriellen Wirtschaftsgütern (insbesondere Patientenstamm) beteiligen wollen, so wäre ihr für den Fall ihres Ausscheidens entweder ein Abfindungsanspruch zuzugestehen gewesen oder aber sie hätte das Recht erhalten müssen, ihre Patienten mitzunehmen.
Dass die Wirksamkeit einer entsprechenden Regelung zivilrechtlich möglicherweise angreifbar gewesen wäre, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn die Vertragsbeteiligten hätten sich an diese Vereinbarungen gebunden gefühlt und sie umgesetzt (vgl. § 41 AO).
Schließlich stellt auch der Einwand der Kläger, die Beigeladene zu 1) habe ein Haftungsrisiko getragen, die Würdigung des Finanzgerichts nicht in Frage.
V. Das Finanzgericht sei in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch zu dem Ergebnis gelangt, dass das schwach ausgeprägte Mitunternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1) nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen worden sei. Zwar habe der Beigeladenen zu 1) nach dem Gesellschaftsvertrag das Recht zugestanden, die Geschäftsführung der GbR gemeinschaftlich mit den Klägern auszuüben. Indes seien von dieser gemeinsamen Geschäftsführung wesentliche Bereiche ausgenommen gewesen. Dies gelte gemäß § 11 Abs. 3 des GV für den wesentlichen Bereich der Neuinvestitionen, die nicht im Namen der GbR, sondern im Namen der Kläger ausgeführt worden seien. Zudem sei die Beigeladene zu 1) von der Verfügung über die Konten der Praxis ausgeschlossen (§ 17 des GV) gewesen. Auch wenn die von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Dienstleistungen für die GbR durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung gewesen seien und sie einem (begrenzten) Haftungsrisiko ausgesetzt gewesen sei, so habe sie aufgrund ihrer vertraglichen Befugnisse nicht die Möglichkeit gehabt, wie ein Unternehmer das Schicksal der GbR maßgeblich zu beeinflussen (vgl. BFH, Urt. v. 16.12.2003 – VIII R 6/93 – BFH/NV 2004, 1080). Schließlich führe auch der Umstand, dass die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages für die Zukunft eine gleichwertige Partnerschaft angestrebt und der Beigeladenen zu 1) ein entsprechendes Optionsrecht zum Erwerb von einem Drittel der Praxis eingeräumt hätten, nicht zur Annahme einer Mitunternehmerstellung. Erfülle die Beteiligung eines vorgesehenen Unternehmensnachfolgers in einem Veranlagungszeitraum (noch) nicht die zur Begründung der Mitunternehmerstellung erforderlichen Voraussetzungen, könne daran die für einen späteren Zeitraum vorgesehene, für die Annahme einer Mitunternehmerstellung genügende Beteiligung (mangels Rückwirkung) nichts ändern (BFH, Beschl. v. 04.04.2007 – IV B 143/05 – BFH/NV 2007, 1848 Rn. 25).

C. Kontext der Entscheidung

I. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. § 15 Nr. 2 EStG verwendet mit dem Ausdruck „Mitunternehmer“ keinen Begriff, der einer abschließenden Definition durch eine begrenzte Zahl von Kriterien zugänglich ist, sondern der nur durch eine unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Beide Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) können zwar im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff des Mitunternehmers ist ein sog. Typusbegriff, der nur durch eine unbestimmte Zahl austauschbarer Merkmale beschrieben werden kann (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751; BFH, Urt. v. 25.04.2006 – VIII R 74/03 – BStBl II 2006, 595, dazu Steinhauff, jurisPR-SteuerR 32/2006 Anm. 2; BFH, Urt. v. 21.04.2009 – II R 26/07 – BStBl II 2009, 602, dazu Steinhauff, jurisPR-SteuerR 32/2009 Anm. 3, zur verdeckten Mitunternehmerschaft; BFH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, dazu F. Dötsch, jurisPR-SteuerR 5/2013 Anm. 1; vgl. auch P. Fischer in: Festschrift Beisse, 1997, S. 189).
II. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. Ob der Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann, richtet sich grundsätzlich nach den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Eine abweichende tatsächliche Handhabung steht der Anerkennung nur bei gegenseitigen Einverständnis der Beteiligten entgegen (BFH, Beschl. v. 09.09.1999 – IV B 18/99 – BFH/NV 2000, 313).
III. Mitunternehmerrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt (BFH, Urt. v. 18.04.2000 – VIII R 68/98 – BStBl II 2001, 359). Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (BFH, Urt. v. 10.05.2007 – IV R 2/05 – BStBl II 2007, 927).
IV. Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (z.B. BFH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII R 42/10 Rn. 21). So kann z.B. ein geringeres Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden und umgekehrt. Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (BFH, Urt. v. 25.04.2006 – VIII R 74/03 – BStBl II 2006, 595, dazu Steinhauff, jurisPR-SteuerR 32/2006 Anm. 2; BFH, Urt. v. 21.07.2010 – IV R 63/07 – BFH/NV 2011, 214, dazu Steinhauff, jurisPR-SteuerR 1/2011 Anm. 3).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BFH konnte dahingestellt lassen, ob die Beigeladene zu 1) überhaupt zivilrechtlich als Gesellschafterin einer – freiberuflichen – Personengesellschaft zu beurteilen ist; denn ein zivilrechtlicher Gesellschafter ist nicht ohne weiteres auch ein Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Steuerrechtlich muss ein Mitunternehmer nicht nur die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen, sondern darüber hinaus insbesondere auch eine Mitunternehmerinitiative entfalten und ein Mitunternehmerrisiko tragen. Ob die Beigeladene zu 1) trotz der in § 11 Abs. 2 des GV vereinbarten Beteiligung „zu Null an den materiellen Werten der Gemeinschaft“ zivilrechtlich als Gesellschafterin der GbR anzusehen ist (zur zivilrechtlichen Zulässigkeit einer sog. Nullbeteiligung vgl. z.B. BGH, Urt. v. 06.04.1987 – II ZR 101/86 – BB 1987, 1276; LG Stuttgart, Urt. v. 07.08.2003 – 27 O 228/03; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.09.2012 – 20 W 264/12 – NZG 2013, 338) – wovon die Verfahrensbeteiligten ebenso wie das Finanzgericht ohne nähere Begründung ausgingen –, konnte der BFH somit offenlassen.