Nachfolgend ein Beitrag vom 12.11.2018 von Fischer, jurisPR-SteuerR 45/2018 Anm. 3

Leitsatz

Ist der stille Gesellschafter neben einer Gewinnbeteiligung und einer auf seine Einlage beschränkten Verlustbeteiligung im Falle des Ausscheidens und der Liquidation an den stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem Firmenwert beteiligt, steht seiner Mitunternehmerstellung nicht entgegen, dass seine Initiativrechte auf die des § 233 HGB beschränkt sind.

A. Problemstellung

Die Entscheidung ist als „Schulbeispiel“ für die verfahrens- und materielle Behandlung der atypischen stillen Gesellschaft lesenswert.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger hatte mit Vertrag v. 22.12.2003 mit der A-GmbH (GmbH) vereinbart, dass er sich an dieser mit einer Einlage i.H.v. 100.000 Euro als stiller Gesellschafter beteiligt. Ihm standen die gesetzliche Informations- und Kontrollrechte des § 233 HGB zu. Er war mit 25% an dem maßgebenden Ertrag der Inhaberin beteiligt. Verluste der Gesellschaft konnten ihm i.H.v. 80% bis maximal in Höhe seiner stillen Beteiligung zugerechnet werden. Er war an dem mit den stillen Reserven anzusetzenden Betriebsvermögen der Gesellschaft mit 25% beteiligt. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft standen ihm anteilig die stillen Reserven einschließlich des Geschäfts- oder Firmenwertes zu. Im Januar 2009 wurde die GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Für das Jahr 2004 reichte die „GmbH & atypisch still“ eine nur vom Kläger unterschriebene Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung, in der für die Gesellschaft ein zu 100% dem Kläger zugewiesener gewerblicher Verlust von 96.220 Euro erklärt wurde. Im September stellte das Finanzamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 0 Euro fest mit der Begründung, eine atypisch stille Gesellschaft könnte nicht anerkannt werden. Im Einspruchsverfahren hob das Finanzamt diesen Bescheid auf und lehnte mit weiterem Bescheid die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die GmbH & atypisch still mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 180 AO ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Urt. v. 26.04.2016 – 12 K 1204/15).
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Das Finanzgericht hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die GmbH, vertreten durch ihre(n) Nachtragsliquidator(en), zum Verfahren notwendig beizuladen. Klagebefugt gegen den negativen Feststellungsbescheid, durch den das Finanzamt die Durchführung eines Feststellungsverfahrens abgelehnt hat, war danach neben dem Kläger auch die GmbH als weitere Gesellschafterin der (vermeintlich atypisch) stillen Gesellschaft. Da sie selbst keine Klage erhoben hat, war sie nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen. Eine Beteiligung der (vermeintlich atypisch) stillen Gesellschaft selbst im Wege der notwendigen Beiladung kommt hingegen nicht in Betracht. Denn eine atypisch stille Gesellschaft kann als Innengesellschaft nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein, das die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung betrifft. Da das Finanzgericht somit verfahrensfehlerhaft eine notwendige Beiladung unterlassen hat, war sein Urteil aufzuheben.
Der Senat sah von der Möglichkeit einer Beiladung im Revisionsverfahren ab, da die Vorentscheidung auch aus anderen Gründen aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das Finanzgericht zurückzuverweisen war.
II. Nach Auffassung des BFH hat das Finanzgericht zu Unrecht eine Gewinnfeststellung 2004 für die (vermeintlich) atypisch stille Gesellschaft schon mit der Begründung abgelehnt, dass das Mitunternehmerrisiko des Klägers allenfalls durchschnittlich ausgeprägt sei und durch die nach den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen nur schwach ausgebildete Initiative nicht ausgeglichen werden könne.
1. Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auch, wer sich am Betrieb eines Anderen als atypisch stiller Gesellschafter bzw. diesem ähnlicher Innengesellschafter beteiligt. Für die atypisch stille Gesellschaft als selbstständiges Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation sind die vom Inhaber des Handelsgeschäfts (der Kapitalgesellschaft) und dem atypisch stillen Gesellschafter gemeinschaftlich erzielten Einkünfte nach den §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellen (z.B. BFH, Urt. v. 13.07.2017 – IV R 41/14 – BStBl II 2017, 1133).
2. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist allerdings schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten (z.B. Beschl. des Großen Senats des BFH v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751). Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbaren Teilnahme am Erfolg und Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (z.B. Beschl. des Großen Senats des BFH v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751). Es müssen diese beiden Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung vorliegen.
3. Geht es um die Mitunternehmereigenschaft eines Kommanditisten, muss der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Durchführung zumindest eine Stellung haben, die nicht wesentlich hinter derjenigen zurückbleibt, die handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt. Auch ein Kommanditist, dessen Widerspruchsrecht nach § 164 HGB ausgeschlossen ist, kann danach grundsätzlich noch Mitunternehmer sein, ohne dass sein Mitunternehmerrisiko über das beschriebene typische Risiko eines Kommanditisten hinaus erhöht sein müsste.
4. Die gleichen Grundsätze gelten für denjenigen, der sich am Betrieb eines anderen als atypisch stiller Gesellschafter bzw. diesem ähnlicher Innengesellschafter beteiligt (z.B. BFH, Urt. v. 13.07.2017 – IV R 41/14 – BStBl II 2017, 1133; BFH, Urt. v. 12.05.2016 – IV R 27/13 Rn. 21 – BFH/NV 2016, 1559, m.w.N.; Anm. Spieker, jurisPR-FamR 26/2016 Anm. 1). Seiner Mitunternehmerstellung steht nicht von vornherein entgegen, dass seine Initiativrechte auf die des § 233 HGB beschränkt sind, die denen des § 166 HGB im Kern entsprechen (z.B. BFH, Urt. .v 13.06.1989 – VIII R 47/85 – BStBl II 1989, 720; BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 5/04 – BFH/NV 2007, 906).
5. Hiervon ausgehend durfte das Finanzgericht die Klage nicht im Hinblick auf ein infolge der auf seine Einlage beschränktes allenfalls durchschnittlich ausgeprägtes Verlustrisiko abweisen. Infolge der Beteiligung des Klägers an den stillen Reserven einschließlich eines Firmenwertes entsprach sein Mitunternehmerrisiko insoweit demjenigen, das handelsrechtlich das Bild eines Kommanditisten bestimmt.
III. Die Durchführung der Feststellung für 2004 konnte auch nicht im Hinblick auf die österreichische Staatsangehörigkeit des Klägers und seinen Wohnsitz im Ausland unterbleiben. Der Kläger war mit seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Deutschland hatte nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 DBA Österreich und Abs. 3 des Protokolls zu den Art. 7 und 10 DBA Österreich das Besteuerungsrecht für inländische atypisch stille Gesellschaften. Ein für den Kläger aus seiner etwaigen Beteiligung an einer solchen Gesellschaft festzustellender Verlustanteil wäre also von Bedeutung für seine Besteuerung in Deutschland, denn für ihn als beschränkt Steuerpflichtiger müsste ein Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d EStG ergehen.
IV. Die Sache war nicht spruchreif. Das Finanzgericht wird im zweiten Rechtszug die Frage einer etwaigen Mitunternehmerschaft aufgrund einer Gesamtwürdigung klären.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein stiller Gesellschafter nur dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Beide Merkmale müssen vorliegen; jedoch kann die geringere Ausprägung eines Merkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls durch eine starke Ausprägung des anderen Merkmals ausgeglichen werden (BFH, Urt. v. 09.12.2002 – VIII R 20/01 – BFH/NV 2003, 601, m.w.N.; BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 5/04 – BFH/NV 2007, 906 Rn. 23). Ein stiller Gesellschafter, der am Verlust und Gewinn sowie an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Handelsgewerbes beteiligt und dessen mitunternehmerisches Risiko deshalb voll ausgeprägt ist, ist bereits dann Mitunternehmer, wenn ihm annähernd die Einsichts- und Kontrollrechte eingeräumt werden, die einem still Beteiligten „nach dem Regelstatut des HGB“ zustehen. Ist das Mitunternehmerrisiko des Stillen hingegen in signifikantem Umfang beschränkt – sei es durch die fehlende Teilhabe am Wertzuwachs des Betriebsvermögens (einschließlich des Geschäftswerts), sei es durch die fehlende Teilhabe am Verlust des Unternehmens –, so setzt die Mitunternehmerqualifikation des stillen Gesellschafters voraus, dass seine Initiativbefugnisse besonders ausgeprägt sind. Hierfür ist erforderlich, dass dem stillen Gesellschafter als Geschäftsführer oder leitender Angestellter Aufgaben der Geschäftsführung, mit denen ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum und damit auch ein Einfluss auf grundsätzliche Fragen der Geschäftsleitung verbunden ist, zur selbstständigen Ausübung übertragen werden (BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VIII R 5/04 – BFH/NV 2007, 906; BFH, Urt. v. 13.07.2017 – IV R 41/14 – BStBl II 2017, 1133 m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 48/2017 Anm. 4).
II. Maßstab für die Prüfung einer Mitunternehmerschaft ist das Regelstatut der Kommanditgesellschaft: Hiernach ist der Kommanditist einerseits am laufenden Gewinn, im Falle seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven (einschließlich eines Firmenwerts), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am Verlust beteiligt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BFHE 141, 405 – BStBl II 1984, 751). Als Initiativrechte des Kommanditisten sieht das HGB insbesondere Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte vor. Wird damit das handelsrechtliche Bild eines Kommanditisten umschrieben, darf die Stellung, die ein Kommanditist nach dem Gesellschaftsvertrag und seiner tatsächlichen Durchführung hat, nicht wesentlich hinter diesem Bild zurückbleiben, um noch als Mitunternehmer anerkannt zu werden.
III. Eine Mitunternehmerstellung eines stillen Gesellschafters ist nicht deshalb zu verneinen, weil seine Initiativrechte nur in den Mitwirkungs- und Kontrollrechten, wie sie § 166 HGB dem Kommanditisten einräumt, bestehen. Meines Erachtens sind aber die Teilhabe am Verlust und die Beteiligung am Geschäftswert und an den stillen Reserven für die Annahme einer atypischen – mitunternehmerischen – stillen Gesellschaft unverzichtbar.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung setzt den bewährten rechtlichen Standard zur Mitunternehmerschaft um. Von Bedeutung sind auch die Ausführungen des BFH zur notwendigen Beiladung, die das Finanzgericht – was in der Praxis nicht selten vorkommt – unterlassen hatte.

Mitunternehmerinitiative eines atypisch still Beteiligten
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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Mitunternehmerinitiative eines atypisch still Beteiligten
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