Nachfolgend ein Beitrag vom 19.6.2017 von Loose, jurisPR-SteuerR 25/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Eine Anteilsvereinigung ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer unterliegt. Wird erst nach der Schenkung der Anteile aufgrund weiterer Rechtsvorgänge der grunderwerbsteuerliche Tatbestand erfüllt, ist eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht gerechtfertigt.
2. Bei der Anteilsvereinigung in der Hand einer Gesamthandsgemeinschaft aufgrund einer Einbringung von Gesellschaftsanteilen wird nicht ein Grundstückserwerb von den einbringenden Gesellschaftern, sondern ein Grundstückserwerb von der grundbesitzenden Gesellschaft fingiert. Dieser (fiktive) Grundstückserwerb kann nicht dem Erwerb von Miteigentumsanteilen i.S.d. § 5 Abs. 1 GrEStG gleichgestellt werden.

A. Problemstellung

Streitig war, ob eine nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei ist, wenn der grunderwerbsteuerliche Tatbestand erst nach der schenkweisen Übertragung der Anteile aufgrund weiterer Rechtsvorgänge erfüllt wird.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Vater (V) war Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge teilte er seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 DM in vier Teilgeschäftsanteile zu je 12.500 DM auf und verschenkte diese Teilgeschäftsanteile an seine vier Töchter. Aufgrund einer Bestimmung im Übertragungsvertrages waren die Töchter verpflichtet, ihre schenkweise übertragenen Teilgeschäftsanteile in die Klägerin, eine GmbH und Co. KG, einzubringen, und zwar „entweder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder unentgeltlich“. Falls die Töchter dieser Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen wären, wäre der Schenker berechtigt gewesen, vom Vertrag zurückzutreten und das Geschenkte zurückzufordern. An der Klägerin waren die Töchter zu je 25% als Kommanditistinnen beteiligt. Die Töchter übertrugen sodann ihre Teilgeschäftsanteile an der GmbH auf die Klägerin und traten die Anteile an diese ab. Für die Einbringung der Geschäftsanteile erhielten sie keine Gegenleistung. Der Wert der Anteile wurde auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagekonto verbucht.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Einbringung erfülle den Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG und setzte die Grunderwerbsteuer entsprechend fest. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht als unbegründet zurück. Nach Auffassung des Finanzgerichts beruhte die Vereinigung der Anteile in der Hand der Klägerin nicht auf einer schenkweisen Anteilsübertragung und war daher nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu befreien (FG Düsseldorf, Urt. v. 16.07.2014 – 7 K 1910/13 GE – EFG 2014, 1898).
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Seiner Ansicht nach hat das Finanzgericht zutreffend erkannt, dass die Vereinigung der Anteile an der GmbH in der Hand der Klägerin nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Darüber hinaus sei die Steuer auch nicht nach § 5 Abs. 1 GrEStG ganz oder teilweise nicht zu erheben.
Der Anteilsvereinigung in der Hand der Klägerin habe keine freigebige Zuwendung der Teilgeschäftsanteile an der grundbesitzenden GmbH zugrunde gelegen. Die Einbringung der Teilgeschäftsanteile durch die Töchter sei durch deren Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen. Eine solche Zuwendung, die in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck stehe, sei nach ständiger Rechtsprechung als gesellschaftsrechtlicher Vorgang und nicht als freigebige Zuwendung an die Gesellschaft zu beurteilen (BFH, Urt. v. 20.01.2016 – II R 40/14 Rn. 12 – BFHE 252, 453 = BFH/NV 2016, 848; Anm. Podewils, jurisPR-SteuerR 19/2016 Anm. 5). Die Einbringung der Anteile sei auch keine Vollziehung einer Auflage nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Diese Vorschrift greife nur in den Fällen ein, in denen die Zuwendung des Erstbeschenkten an den Auflagenbegünstigten als unmittelbare Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an den Auflagenbegünstigten anzusehen sei (BFH, Urt. v. 17.02.1993 – II R 72/90 – BStBl II 1993, 523). Die Klägerin sei jedoch nicht Auflagenbegünstigte. Bei der Schenkung an eine Gesamthandsgemeinschaft seien für die Schenkungsteuer die Gesamthänder als vermögensmäßig bereichert anzusehen (vgl. BFH, Urt. v. 14.09.1994 – II R 95/92 – BStBl II 1995, 81). Die Töchter hätten demzufolge die schenkweise übertragenen Teilgeschäftsanteile lediglich von ihrem Privatvermögen in das ihnen ebenfalls zuzurechnende Gesamthandsvermögen überführt.
§ 5 Abs. 1 GrEStG sei auf den Streitfall nicht anwendbar. Die Anteile seien, nachdem V sie auf seine Töchter übertragen hatte, nicht mehr in einer Hand vereinigt gewesen. Die Grundstücke der GmbH seien den Töchtern grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen gewesen, da keine von ihnen zu mindestens 95% an der GmbH beteiligt gewesen sei. Die (erneute) Anteilsvereinigung in der Hand der Klägerin gelte als Erwerb der Grundstücke von der GmbH und nicht von den Töchtern. Diese Rechtslage sei mit der Übertragung von Miteigentumsanteilen auf eine Gesamthand nicht vergleichbar.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist gleich unter mehreren Aspekten beachtenswert.
I. Zunächst einmal ist die Einbringung der GmbH-Anteile in die Klägerin ein nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang. § 1 Abs. 3 GrEStG gilt nicht nur für grundbesitzende Kapitalgesellschaften, sondern auch für grundbesitzende Personengesellschaften. Das wird in der Praxis häufig verkannt, kann bei Grunderwerbsteuersätzen von 6,5% in einigen Bundesländern und (seit 2009) bei einer Bewertung der Grundstücke mit dem gemeinen Wert mitunter ein folgenschwerer Fehler sein. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (vgl. BFH, Urt. v. 23.05.2012 – II R 21/10 Rn. 12 – BStBl II 2012, 793 m.w.N.; Anm. Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 37/2012 Anm. 3). Im Streitfall war der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, denn der Einbringungsvertrag begründet zugunsten der Klägerin den Anspruch auf Übertragung sämtlicher Anteile an der grundbesitzenden GmbH. Danach war die Klägerin alleinige Anteilseignerin der grundbesitzenden GmbH. Der damit verbundene (fiktive) Erwerb der Grundstücke der GmbH durch die Klägerin ist steuerbar.
II. Die Klägerin hat für sich die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Anspruch genommen. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist auch auf eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG anzuwenden, die auf einer schenkweisen Übertragung von Gesellschaftsanteilen beruht. In einem solchen Fall liegt zwar keine Grundstücksschenkung i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Denn der Schenkungsteuer unterliegt nicht der durch die schenkweise Anteilsübertragung ausgelöste fiktive Grundstückserwerb, sondern die freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile. Grunderwerbsteuerrechtlich ist jedoch auch der fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch den Anteilserwerber steuerbar. Dieser fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke beruht ebenso wie der Erwerb der Gesellschaftsanteile auf einer Schenkung (BFH, Urt. v. 23.05.2012 – II R 21/10 Rn. 15; vgl. Meßbacher-Hönsch in: Boruttau, GrEStG, 18. Aufl., § 3 Rn. 119 f.).
III. Der BFH wendet § 1 Nr. 2 Satz 1 GrEStG also über den Wortlaut hinaus auch auf die schenkweise Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft an. Entscheidend ist jedoch, dass nur ein Lebenssachverhalt – die freigebige Zuwendung eines Anteils an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft – gegeben ist, der sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die durch die schenkweise Zuwendung eines Anteils ausgelöste Anteilsvereinigung ist – zur Vermeidung der Doppelbelastung – insoweit von der Grunderwerbsteuer zu befreien, als sie auf dieser freigebigen Zuwendung beruht (BFH, Urt. v. 23.05.2012 – II R 21/10 Rn. 15). An einer Doppelbelastung eines Lebenssachverhalts fehlt es jedoch, wenn die freigebige Zuwendung des Gesellschaftsanteils für sich noch keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG auslöst. Da die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer an einzelne Rechtsvorgänge anknüpft, ist jeder einzelne Vorgang isoliert zu betrachten. Wird erst nach der Schenkung der Anteile aufgrund weiterer Rechtsvorgänge der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG erfüllt, ist eine Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG über seinen Wortlaut hinaus nicht gerechtfertigt. In diesen Fällen unterliegt nicht derselbe Rechtsvorgang sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer. Vielmehr unterliegen unterschiedliche Rechtsvorgänge (zum einen) der Schenkungsteuer und (zum anderen) der Grunderwerbsteuer.
IV. Zu prüfen war zudem, ob die entstandene Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 1 GrEStG ganz oder teilweise nicht zu erheben war. Nach § 5 Abs. 1 GrEStG wird die Steuer nicht erhoben, wenn ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) übergeht, und zwar soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. Dasselbe gilt nach § 5 Abs. 2 GrEStG, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht. § 5 GrEStG ist grundsätzlich auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar, auch auf die fiktiven Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. BFH, Urt. v. 02.04.2008 – II R 53/06 – BStBl II 2009, 544; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 29/2008 Anm. 6; BFH, Urt. v. 19.02.2009 – II R 49/07 – BStBl II 2009, 932; Viskorf in: Boruttau, GrEStG, § 5 Rn. 13). Folgerichtig gilt § 5 GrEStG danach auch, wenn ein Gesellschafter, der zu mindestens 95% an einer grundbesitzenden GmbH beteiligt ist, die Anteile an der GmbH auf eine Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an der er beteiligt ist. Die Steuer wird dann in dem Umfang nicht erhoben, in dem der Einbringende an der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist (Viskorf in: Boruttau, GrEStG, § 5 Rn. 17).
V. Etwas anderes gilt jedoch, wenn erst in der Person der Gesamthand eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) eintritt. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG stellen den Übergang von mindestens 95% der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem Grundstückserwerb gleich. Diese grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion rechtfertigt es, bei einer Übertragung aller (bereits vereinigten) Anteile auf eine Gesamthand die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG zu gewähren (Viskorf in: Boruttau, GrEStG, § 5 Rn. 17; Pahlke, GrEStG, 5. Aufl., § 5 Rn. 13). In den Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) in der Hand der Gesamthandsgemeinschaft wird hingegen nicht ein Grundstückserwerb von den einbringenden Gesellschaftern, sondern ein Grundstückserwerb von der grundbesitzenden Gesellschaft fingiert. Dieser (fiktive) Grundstückserwerb steht nicht dem Erwerb von Miteigentumsanteilen i.S.d. § 5 Abs. 1 GrEStG gleich.
VI. Der BFH hat schließlich klargestellt, dass die zu § 3 Nr. 2 GrEStG ergangene Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 GrEStG nicht übertragbar ist. § 3 Abs. 2 GrEStG will eine doppelte Besteuerung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits vermeiden. Nur deshalb ist es gerechtfertigt, dem rechtstechnischen Anknüpfungspunkt „Grundstücksschenkungen unter Lebenden“ bei einer schenkweise Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft keine Bedeutung zuzumessen (vgl. BFH, Urt. v. 23.05.2012 – II R 21/10 Rn. 16). Demgegenüber tragen die §§ 5 und 6 GrEStG dem Umstand Rechnung, dass Gesamthandsgemeinschaften eigene Rechtsträger sind, obwohl in ihnen nur das Vermögen ihrer Gesellschafter gesamthänderisch gebunden ist. Beide Vorschriften haben somit eine unterschiedliche Zielrichtung.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Streitfall zeigt einmal mehr, dass die Grunderwerbsteuer bei allen Gestaltungen mit beachtet werden muss. Es ist unklar, aus welchen Gründen die Beteiligten diesen Weg gewählt haben, um die Anteile an der grundbesitzenden GmbH letztlich gesamthänderisch gebunden von V auf die Töchter zu übertragen. Wäre nur die Grunderwerbsteuer zu beachten, hätte es nahegelegen, dass V die – in seiner Hand vereinigten – GmbH-Anteile zunächst in eine von ihm zu 100% beherrschte GmbH & Co. KG einbringt und sodann die Anteile an der Gesamthandsgemeinschaft auf seine Töchter überträgt. Diese Vorgehensweise hätte nach geltender Rechtslage und Rechtsprechung im Ergebnis keine GrESt ausgelöst.


Anmerkung: Der letztgenannten Empfehlung ist angesichts der sog. Gesamtplan-Rechtsprechung nicht uneingeschränkt zu folgen, hierzu bedarf es sorgfältiger Gestaltung!