Nachfolgend ein Beitrag vom 24.1.2017 von Hippeli, jurisPR-HaGesR 1/2017 Anm. 3

Leitsatz

Übernehmen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft Bürgschaften bis zu unterschiedlichen Höchstbeträgen, richtet sich die Höhe des Innenausgleichs grundsätzlich nach dem Verhältnis der mit den Bürgschaften jeweils übernommenen Höchstbeträge.

A. Problemstellung

Vorliegend stand insbesondere in Frage, ob der gesamtschuldnerische Ausgleichsanspruch unter GmbH-Gesellschaftern im Falle einer Kollision unterschiedlich hoher Beteiligungswerte an der GmbH und unterschiedlicher Höchstbetragswerte bei einer Bürgschaft der GmbH-Gesellschafter als Mitbürgen nach dem Verhältnis der Beteiligungswerte an der GmbH oder der Höchstbetragswerte der Bürgschaft zueinander zu errechnen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Kläger und Beklagter waren mit Beteiligungswerten von 40% und 10% Gesellschafter einer GmbH. Die GmbH war bei einer Bank Darlehensnehmerin. Zum Zwecke der Besicherung zweier Darlehen kam es zum Abschluss von Höchstbetragsbürgschaften mit sämtlichen fünf originären Gesellschaftern der GmbH (gesamt: 925.000 Euro, davon Kläger 300.000 Euro und Beklagter 150.000 Euro). Einer der übrigen Gesellschafter wurde später aus der von ihm übernommenen Höchstbetragsbürgschaft i.H.v. 200.000 Euro entlassen, die sodann mit den verbliebenen Gesellschaftern erneut abgeschlossenen Bürgschaften blieben in ihren Höchstbetragswerten unverändert.
Nachdem die GmbH die Darlehen aufgrund Insolvenz nicht mehr bedienen konnte, forderte die Bank ausschließlich vom Kläger, dass er die von ihm übernommene Bürgschaft (zum Höchstbetrag von 300.000 Euro) einlöse. Der Kläger beglich in der Folge gleich sämtliche Forderungen der Bank gegen die GmbH in Höhe von insgesamt ca. 400.000 Euro. Von dieser Summe sollte nun der Beklagte denjenigen Anteil an den Kläger als Ausgleich entrichten, der sich nach dem Verhältnis der festgelegten Höchstbeträge zueinander ergebe. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen ab. Seiner Ansicht nach müsse der Ausgleichsanspruch in Fällen wie dem vorliegenden nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander bemessen werden.
Das LG Darmstadt hatte die Klage zunächst abgewiesen. Das OLG Frankfurt hatte ihr jedoch im Kern stattgegeben. Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs habe entsprechend dem Klägerbegehren nach dem Verhältnis der festgelegten Höchstbeträge der Bürgschaft zu erfolgen. Dogmatisch ergebe sich der Ausgleichsanspruch in Bezug auf eine anteilige Haftung am entrichteten Höchstbetrag der Bürgschaft aus den §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, darüber hinaus aus den §§ 683, 670 BGB. Durchgerechnet schulde der Beklagte jedenfalls 20,69% des vom Kläger an die Bank gezahlten Betrags, was sich aus dem Anteil des Beklagten an der Summe der verbliebenen vier Bürgschaften errechne. Wieder anders als das Oberlandesgericht sah dies nun der BGH in seiner Revisionsentscheidung. Er erachtete die Revision für begründet und verwies die Sache mangels Entscheidungsreife an das Oberlandesgericht zurück.
Zwar treffe jene Sichtweise des Oberlandesgerichts zu, wonach sich der Ausgleichsanspruch i.S.d. §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Verhältnis der festgelegten Höchstbeträge der Bürgschaft zueinander richte und nicht nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile. Dabei müsse im Übrigen konstatiert werden, dass das Rangverhältnis dieser beiden dem Grunde nach anerkannten Grundsätze der Haftungsverteilung bislang vom BGH noch nicht beurteilt wurde. Aus den §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe sich jedenfalls, dass sich der Ausgleichsanspruch der Mitbürgen untereinander nach Köpfen berechne, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die als Mitbürgen jeweils übernommene Höchstbetragsbürgschaft bedeute jedenfalls etwas anderes. Hiermit werde stillschweigend zum Ausdruck gebracht, dass die jeweiligen Bürgen auch intern in dem Verhältnis haften wollen, in dem sie eine Haftung nach außen übernommen haben. Im vorliegenden Fall haben die gemeinsame Absprache der Bürgschaft und der zeitliche Aspekt des Abschlusses der Bürgschaft nach den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen diese Schlussfolgerung nahegelegt. Insoweit sei erkennbar gewesen, dass das Verhältnis der festgelegten Höchstbeträge bei der Haftungsverteilung den Vorrang haben sollte. Eine Höchstbetragsbürgschaft mehrerer Bürgen präge jedenfalls maßgeblich die gesamte Bürgschaft und somit auch das Innenverhältnis samt Haftungsverteilung.
Rechtsfehlerhaft sei indes die Berechnung des Ausgleichsanspruchs durch das Oberlandesgericht. Denn der Wert 20,69% stimme in Bezug auf den Beklagten deshalb nicht, weil auf sämtliche ursprünglich vorhandenen fünf Gesellschafter bzw. deren Höchstbetragsbürgschaften hätte abgestellt werden müssen. Die Entlassung eines Bürgen aus dem gesamtschuldnerischen Haftungsverband berühre schließlich die Ausgleichsverpflichtung grundsätzlich nicht. Zur Frage, ob dies ausnahmsweise anders sein könne, fehlten indes entsprechende Feststellungen. Jedenfalls komme eine Ausnahme allenfalls dann in Betracht, wenn die übrigen Bürgen mit einer solchen Privilegierung ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden gewesen sind, wenn dem fünften Bürgen ein entsprechendes Kündigungsrecht in Bezug auf seinen Bürgschaftsvertrag zugestanden hat und dieses ausgeübt wurde oder die Bürgschaft durch Zeitablauf i.S.d. § 777 BGB entfallen ist. Des Weiteren sei zu eruieren, ob der ursprünglich fünfte Gesellschafter mittlerweile aus der GmbH ausgeschieden ist. Sofern dies der Fall sei und keine entgegenstehenden Vereinbarungen oder entgegenstehender Wille erkennbar wären, müsse davon ausgegangen werden, dass der ausgeschiedene Gesellschafter auch aus der Bürgschaftsverpflichtung entlassen werden sollte und seine entsprechende Bürgenhaftung auf den Übernehmer seines Geschäftsanteils übergegangen ist.

C. Kontext der Entscheidung

In der Tat war im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres erkennbar, wie sich der jeweilige Haftungsanteil der Mitbürgen bestimmt. Die Gesetzeslage lässt sich insoweit zusammenfassen, als dass die §§ 769, 774 Abs. 2 BGB die Lösung des Problems der Haftungsverteilung im Rahmen eines Ausgleichsanspruchs des den Gläubiger befriedigenden Mitbürgen dem § 426 BGB (Gesamtschuld) überlässt. Bei Lichte betrachtet geht es also vorliegend gar nicht unbedingt um Bürgschaftsrecht, sondern um allgemeines Schuldrecht. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB wiederum sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Vorliegend konnte die grundsätzliche Annahme einer sog. Kopfteilung („zu gleichen Teilen verpflichtet“) aber keinesfalls gelten. Denn sowohl die Beteiligung von Kläger und Beklagtem an der GmbH als auch die übernommenen Höchstbeträge der Bürgschaft waren stark unterschiedlich ausgestaltet (4:1 bzw. 2:1). So oder so war also etwas anderes bestimmt.
Beide im vorliegenden Fall bemühten Grundsätze zur Haftungsverteilung im Innenverhältnis sind dabei anerkannt. Als vertragliche Regelung des gesamtschuldnerischen Ausgleichsmaßstabs gilt einerseits (sog. „natürlicher Ausgleichsmaßstab“) das unterschiedliche Beteiligungsverhältnis von Gesellschaftern an einer Gesellschaft (BGH, Urt. v. 14.03.1990 – XII ZR 98/88 – NJW-RR 1990, 736; Gebauer in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2010, § 426 Rn. 19; Fahlbusch in: Theewen, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2010, S. 176). Dies ist gerade auch bei einer aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses übernommenen Mitbürgschaft von Gesellschaftern einer GmbH der Fall (vgl. Böttcher in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 426 Rn. 22 m.w.N.). Andererseits gilt für eine Mitbürgschaft mehrerer Bürgen mit unterschiedlichen Höchstbeträgen, dass diese Höchstbeträge den Ausgleichsmaßstab bilden können (BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 274/96 – NJW 1998, 894; BGH, Urt. v. 13.01.2000 – IX ZR 11/99 – NJW 2000, 1034, 1035; BGH, Urt. v. 09.12.2008 – XI ZR 588/07 – NJW 2009, 437; OLG Brandenburg, Urt. v. 22.05.2013 – 4 U 59/12; Glöckner, ZIP 1999, 821, 827 ff.). Interessanterweise sind diese Fälle in der BGH-Rechtsprechung noch nicht miteinander kollidiert wie der BGH im vorliegenden Fall selbst betont. Auch in der Literatur werden die beiden vorgenannten Sachverhaltskonstellationen nur in einem Alternativverhältnis diskutiert (vgl. etwa Nobbe in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 91 Rn. 399 ff.). Womöglich liegt dies grundlegend daran, dass die einzelnen Höchstbeträge solcher Bürgschaften typischerweise entsprechend proportional zu den Beteiligungsverhältnissen an der Gesellschaft festgelegt werden (vgl. etwa OLG Koblenz, Urt. v. 04.02.1999 – 6 U 285/96). Die Auflösung des Konflikts durch den BGH ist jedenfalls logisch und konzise, denn sie greift für eine vertragliche Abweichung von den Kopfteilen auf die zeitlich zur Bürgschaftsabrede naheliegendste gemeinschaftliche Vereinbarung der jeweiligen Höchstbeträge zurück. Die Vereinbarung über die Beteiligungshöhen an der GmbH (Gesellschaftsvertrag) kann demzufolge nur dann Grundlage des Ausgleichsmaßstabs sein, wenn es zeitlich nachfolgend und im Nahumfeld der Bürgschaftsabrede hierzu nichts spezielleres gibt. Die Höchstbetragsklauseln sind eben solche spezielleren Abreden.
Auch die zweite Kernaussage des BGH, welche die Revision letztlich als begründet erscheinen ließ, überzeugt. Die Grundsätze der Gesamtschuld gelten für das Ausgleichsverhältnis unter den Mitbürgen von Anfang an, nicht erst zum Zeitpunkt, wenn ein Gesamtschuldner an den Gläubiger leistet (BGH, Urt. v. 15.05.1986 – IX ZR 96/85 – NJW 1986, 3131, 3133; BGH, Urt. v. 11.06.1992 – IX ZR 161/91 – NJW 1992, 2286, 2288; Federlin in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, S. 1563). Letzten Endes konnte es dann nicht darauf ankommen, ob bei der Bestimmung des Ausgleichsverhältnisses ein Gesellschafter aus der Bürgschaft entlassen wurde, weil vielmehr bestimmt werden muss, ob dieser durch die äußere Entlassung zugleich auch im Innenverhältnis aus der von Anfang an mit Begründung der Bürgschaft geltenden gesamtschuldnerischen Haftung entlassen wurde. Hier zeigt sich, dass keine automatische Konvergenz bestehen kann, denn die Entlassung des Mitbürgen aus seiner Verpflichtung ist Sache des Gläubigers, die Entlassung aus dem Ausgleichsverhältnis nach § 426 BGB dagegen die der Mitbürgen (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2000 – IX ZR 11/99 – NJW 2000, 1034, 1035; Hoffmann in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, S. 1807).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Auswirkungen für die Praxis sind überschaubar, da Fälle wie vorliegend (Höchstbeträge der Bürgschaft und Beteiligungswerte an einer Gesellschaft sind disproportional festgelegt) selten vorkommen. Gleichwohl steht nun fest, dass im Kollisionsfall bei der Berechnung des Ausgleichsmaßstabs im Rahmen von § 426 BGB typischerweise den Höchstbetragswerten der Bürgschaft der Vorrang gebührt.