Nachfolgend ein Beitrag vom 26.6.2018 von Hecker, jurisPR-HaGesR 6/2018 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

In einem Verfahren gegen den ehrenamtlichen Vereinsvorstand wegen möglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen hat der Verein zu beweisen, dass die Haftungsprivilegierung nach § 31a Abs. 1 BGB nicht greift.

A. Problemstellung

Zahlreiche Vereine in Deutschland haben – unabhängig davon, dass sie zum Teil über erhebliche finanzielle Mittel verfügen – weiterhin ehrenamtlich tätige Vorstände. Gerade im Sportbereich sind diese Vorstände als Vertreter des Vereins gefordert, Geschäfte mit hohen Summen abzuschließen, sei es im Bereich des Sponsorings, der Spieler(ver)käufe oder im Hinblick auf die Infrastruktur. Aber auch Vorstände von Vereinen außerhalb des Sportsektors können und müssen vielfach über beträchtliche Summen im Rahmen ihrer Vorstandstätigkeit wachen und diese im Rahmen der Vereinsinteressen verwalten und einsetzen.
Soweit die Vorstandsmitglieder unentgeltlich tätig sind oder ihre Vergütung 720 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen Schaden bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 31a BGB). Diese gesetzliche Regelung wurde erst mit der Vereinsrechtsreform vom 28.09.2009 in das BGB eingefügt und 2013 nochmals erweitert. Sie soll dem Schutz des ehrenamtlich Tätigen dienen und diese gegenüber der regelmäßigen Organhaftung, die bereits bei einfacher Fahrlässigkeit eintritt, privilegieren. Allein die fahrlässige Pflichtverletzung und ein hieraus entstandener Schaden reichen für den Eintritt der Ersatzpflicht beim ehrenamtlichen Vorstand nicht aus. Unter dem weitreichenden Schutz des § 31a BGB stellt sich gerade dann die Frage, wann ein ehrenamtlicher Vorstand dem Verein haftet und was der Verein hierfür zu beweisen hat, wenn mögliche Pflichtverletzungen zur Insolvenz oder zur drohenden Insolvenz eines Vereins führen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In dem zugrunde liegenden Verfahren machte der – aktuell in der Fußball-Oberliga spielende – klagende Verein Zahlungsansprüche gegen seinen ehemaligen 1. Vorsitzenden und gegen den ehemaligen Hauptsponsor in Höhe von insgesamt 269.000 Euro geltend. Der 1. Vorsitzende ist zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH des Hauptsponsors, der in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisiert ist. Der Verein begründete seine Klage im Wesentlichen damit, dass die Beklagten über die Laufzeit des Sponsoringvertrages hinaus dem Verein weitere finanzielle Unterstützung in Höhe bestimmter Beträge zugesagt, diese Zahlungen aber nicht erbracht hätten; hilfsweise darauf, dass noch aus der Laufzeit des Sponsoringvertrages Leistungen der Hauptsponsors offenstünden. Die Klage gegen den 1. Vorsitzenden hat er ferner darauf gestützt, dass der 1. Vorsitzende während seiner Amtszeit als Präsident des Vereins für diesen in erheblichem Umfang (insbesondere Spieler- und Trainer-)Verträge abgeschlossen habe, ohne dies mit dem Präsidium des Vereins abzustimmen. Das Zusammentreffen der genannten Faktoren habe den Verein an den Rand der Insolvenz gebracht, wodurch dem Verein weitere Schäden entstanden seien.
Das LG Trier hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Das OLG Koblenz hat mit seinem Urteil nach umfangreicher Beweisaufnahme den Hauptsponsor verurteilt, an den Verein 150.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das OLG Koblenz insbesondere ausgeführt, der Verein könne vom Hauptsponsor aufgrund einer mündlichen Zusage die Zahlung von insgesamt 150.000 Euro verlangen. Soweit die Zusage der Zahlung weiterer 50.000 Euro daran geknüpft gewesen sei, dass die Mitgliederversammlung nicht negativ verlaufe und es mit dem Verein sportlich weitergehen werde, seien diese Bedingungen eingetreten. Die Zusage treffe allerdings ausschließlich den Hauptsponsor, nicht jedoch den 1. Vorsitzenden, für dessen persönliche Haftungsübernahme für die zugesagten Leistungen keine hinreichenden Anhaltspunkte vorlägen. Die Zusagen seien vom 1. Vorsitzenden aufgrund der vorangegangenen Sponsoringleistungen, die ausschließlich vom Hauptsponsor erbracht wurden, in dessen Funktion als Geschäftsführer der Komplementärin des Hauptsponsors erfolgt und nicht im Hinblick auf eine persönliche Verpflichtung.
Unbegründet sei die Klage in Bezug auf den 1. Vorsitzenden auch, soweit der Verein den 1. Vorsitzenden unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes aufgrund von Pflichtverletzungen in Anspruch genommen habe. Der Vorwurf des Vereins, der 1. Vorsitzende habe sein Amt als Vereinsvorsitzender „zur Unzeit“ niedergelegt, könne vorliegend keine Schadenersatzpflicht begründen; das Amt des 1. Vorsitzenden habe den 1. Vorsitzenden zudem nicht verpflichtet, den Verein finanziell zu unterstützen. Eine Schadenersatzpflicht des 1. Vorsitzenden ergebe sich auch nicht aus dem Abschluss von insgesamt 29 streitigen Spieler- bzw. Trainerverträgen. Angesichts der Haftungsprivilegierung bei ehrenamtlicher Tätigkeit gemäß § 31a Abs. 1 BGB setze dies eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung voraus, die der Senat aufgrund des Vortrags des Klägers nicht als erwiesen angesehen habe.

C. Kontext der Entscheidung

Seit Anfang 2017 sind vor den deutschen Gerichten diverse Entscheidungen zum Vereinsrecht ergangen, welche die Vielfältigkeit des Einsatzes dieser Rechtsform verdeutlichen. An dieser Stelle hingewiesen sei nur auf die Entscheidung des AG München (Beschl. v. 17.01.2017 – VR 304), mit der die Vereinseigenschaft des ADAC überprüft wurde, die „KiTa-Rechtsprechung“ des BGH zum Nebenzweckprivileg (BGH, Beschl. v. 16.05.2017 – II ZB 7/16) und die im einstweiligen Rechtsschutz geführten Verfahren vor dem OLG Celle in Bezug auf die Kompetenzen des Vorstands, der Mitgliederversammlung und Mitglieder von Hannover 96 (OLG Celle, Beschl. v. 28.08.2017 – 20 W 18/17; OLG Celle, Beschl. v. 12.12.2017 – 20 W 20/17).
Wie auch das vor dem OLG Koblenz geführte Verfahren machen diese aktuellen Beschlüsse und Urteile die Herausforderungen anschaulich, die sich aufgrund der rudimentären gesetzlichen Regelungen zum Verein im BGB im Zusammenhang mit der teilweise erheblichen Kapitalisierung der Vereine und ihren wirtschaftlichen (Neben-)Tätigkeiten ergeben. Dies betrifft insbesondere Fragen zur Kompetenzverteilung, zur Haftung und zur Zulässigkeit der Rechtsform im Hinblick auf den angestrebten Zweck. Hierbei sollte man sich bewusst machen, dass es nach der vom Bundesamt für Justiz veröffentlichten jährlichen Zusammenstellung der Geschäftsübersichten der Amtsgerichte zum 31.12.2016 insgesamt 602.602 eingetragene Vereine in Deutschland gab, mit zuletzt steigender Tendenz.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Koblenz veranschaulicht – gerade aufgrund der ausführlich aufgearbeiteten und beschriebenen Beweisaufnahme –, welche hohen Hürden es aufgrund der Regelung des § 31a BGB bei einer Inanspruchnahme ehrenamtlicher Vereinsvorstände im Hinblick auf etwaige Pflichtverletzungen gibt. Darüber hinaus ist jeweils konkret zu prüfen, welche Verantwortung dem Vorstandsmitglied tatsächlich in seiner Funktion zukommt und wann eine Pflichtverletzung in Bezug auf die Organstellung vorliegt.
Mit dem Urteil werden insoweit gerade die Vereinsvorstände im Rahmen ihrer Tätigkeit gestärkt, die ehrenamtlich in Vereinen tätig sind, die über beachtliche Vermögenswerte und Budgets verfügen.
Bestehen mit Blick auf das zu verwaltende und zu schützende Vereinsvermögen aus Sicht der Mitgliederversammlung Sorgen oder Bedenken aufgrund der Haftungsprivilegien, sollten betroffene Vereine überprüfen, ob in den Strukturen eine ausreichende Überwachung, z.B. durch Aufsichts- und Beiräte, gewährleistet ist und/oder die Geschäftsführung auf Hauptamtliche (Geschäftsführer/Vorstände) übertragen werden kann/soll. Gerade die Gestaltungsfreiheit von Vereinen hinsichtlich der Kompetenzverteilung lässt hierbei sehr individuelle Lösungen für die einzelnen Vereine zu.

Haftung des ehrenamtlichen Vereinsvorstands für Pflichtverletzungen
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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