Nachfolgend ein Beitrag vom 28.8.2017 von Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 35/2017 Anm. 3
Leitsätze
1. Wird eine Mitunternehmerschaft aufgelöst, führt dies zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.
2. Die Grundsätze der Realteilung gelten sowohl für die Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch für das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet.
A. Problemstellung
Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen eines Mitunternehmers im Zuge der Realteilung kommt es zur Buchwertfortführung (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG), mit der Folge, dass ein Gewinn nicht zu versteuern ist. Von der Realteilung ist die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zu unterscheiden.
Streitig war vorliegend, ob ein Mitunternehmer seinen Mitunternehmeranteil an einen anderen Mitunternehmer veräußert hat oder die Mitunternehmerschaft aufgelöst und ihr Gewerbebetrieb aufgegeben wurde.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die drei Kläger (Vater, Sohn und GmbH) sind ehemalige Gesellschafter einer GmbH & Co. KG. Gegenstand der KG war die Aufstellung und der Vertrieb von Spielautomaten. Vater (V) und Sohn (S) waren als Kommanditisten zu 90% bzw. zu 10% am Vermögen der KG beteiligt, die GmbH als Komplementärin zu 0%. Ein Grundstück, das V aufgrund eines Vertrags in die KG einzubringen hatte, wurde in der Gesamthandsbilanz der KG bilanziert. Zum 31.03.2005 wurde die KG aufgelöst. Das Gesellschaftsvermögen sollte im Wege der Realteilung zwischen V und S aufgeteilt werden. Nach Auflösung der KG übten V und S jeweils weiterhin eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich der Automatenaufstellung aus. S gründete hierzu ein Einzelunternehmen, in das er das übernommene Betriebsvermögen einbrachte. V war Gesellschafter einer anderen KG, der er das Grundstück zur Nutzung überließ, andere Wirtschaftsgüter übernahm er in sein Privatvermögen.
Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass keine Realteilung gegeben sei. Die Identität des bisherigen Betriebs sei erhalten geblieben. Der Vorgang stelle sich als Sachwertabfindung des ausscheidenden Gesellschafters dar, V habe im Jahr 2005 (Streitjahr) seinen Mitunternehmeranteil entgeltlich auf S übertragen. Das Finanzamt stellte einen Veräußerungsgewinn für V von rund 193.000 Euro fest. Die Klage gegen die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung hatte Erfolg (FG Köln, Urt. v. 12.03.2014 – 4 K 1546/10 – EFG 2014, 1384).
Auf die vom Finanzgericht zugelassene Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf, soweit es die Klage der GmbH und des S betraf, da insoweit die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig sei. Durch die Feststellung eines Veräußerungsgewinns für V sei eine Rechtsverletzung der GmbH und des S als ausgeschiedene Gesellschafter nicht erkennbar.
Im Übrigen sei – so der BFH – die Revision des Finanzamts unbegründet, da das Finanzgericht der Klage des V im Ergebnis zu Recht stattgegeben habe. Im Streitfall liege eine Realteilung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG vor. Dabei könne zwar ein auf Ebene der Gesellschaft zu erfassender und auf die einzelnen Realteiler zu verteilender Aufgabegewinn entstanden sein, aber kein Veräußerungsgewinn des V. Nach neuerer Rechtsprechung fänden die Regelungen über die Realteilung sowohl bei Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens (echte Realteilung) als auch dann Anwendung, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheide (unechte Realteilung). Im Streitfall liege eine echte Realteilung vor, da die KG zum 31.03.2015 aufgelöst und in der Folgezeit (zivilrechtlich) im Wege der Naturalteilung auseinandergesetzt worden sei. Die Auflösung der Mitunternehmerschaft habe zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs geführt, was Voraussetzung für den Fall der echten Realteilung sei, da es sich um einen Sonderfall der Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG handele.
Auch die übrigen Voraussetzungen einer (echten) Realteilung lägen vor. Es seien einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen worden. Dem stehe nicht entgegen, dass der GmbH keine Wirtschaftsgüter übertragen worden seien, denn sie sei vermögensmäßig nicht an der Mitunternehmerschaft beteiligt gewesen. Ausreichend sei auch, dass jedenfalls S die ihm zugeteilten Wirtschaftsgüter in ein anderes eigenes Betriebsvermögen übernommen habe. Es genüge, dass einer der Realteiler eine der ihm zugeteilten Betriebsgrundlagen in ein eigenes Betriebsvermögen übernehme. Ferner könne dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven dadurch aufgedeckt worden seien, dass V zwei der ihm zugeteilten Wirtschaftsgüter in sein Privatvermögen übernommen habe. Ein etwaiger Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven in Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens im Zuge der echten Realteilung wäre als Aufgabegewinn auf der Ebene der Gesellschaft zu erfassen, nicht aber als Veräußerungsgewinn des V.
C. Kontext der Entscheidung
I. 1. Der Begriff der Realteilung ist im Gesetz nicht definiert. Der BFH verstand unter Realteilung ertragsteuerlich – in Anlehnung an das Zivilrecht – lange Zeit die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt (z.B. BFH, Urt. v. 11.04.2013 – III R 32/12 – BStBl II 2014, 242, unter II.1., m.w.N., m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 41/2013 Anm. 1). In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der BFH (Urt. v. 17.09.2015 – III R 49/13 – BStBl II 2017, 37, unter III.3.e) entschieden, dass das Vorliegen der Realteilung nicht mehr von der Auflösung der Mitunternehmerschaft abhängig sei, sondern auch in Betracht komme, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines – weiterhin zum Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen gehörenden – Teilbetriebs ausscheide. Dem hat sich inzwischen auch die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF, Schreiben v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004 – BStBl I 2017, 36, unter II.).
2. Ob dies auch bei Mitnahme von Einzelwirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters gilt oder in einem solchen Fall § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG eingreift, hatte der BFH in dieser Entscheidung noch offengelassen. Jüngst hat er aber auch in einem solchen Fall eine Realteilung angenommen (BFH, Urt. v. 30.03.2017 – IV R 11/15 – BFHE 257, 324 = BFH/NV 2017, 1125, unter III.3.a). Somit ist das Ausscheiden eines Mitunternehmers in allen Fällen einer Sachabfindung als Aufgabe seines Mitunternehmeranteils zu behandeln, für die die Regelungen der Realteilung anzuwenden sind. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung, die dies derzeit noch anders beurteilt (BMF, Schreiben v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004 – BStBl I 2017, 36, unter II.), dem folgen wird.
3. In der Besprechungsentscheidung hat der BFH nun die Auflösung der Mitunternehmerschaft bei Verteilung des Betriebsvermögens als „echte Realteilung“ und das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft als „unechte Realteilung“ bezeichnet. Ob eine echte oder unechte Realteilung vorliegt, richtet sich also danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird (echte Realteilung) oder ob sie fortbesteht und nur – mindestens – ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet (unechte Realteilung). In beiden Fällen finden die Regelungen von § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG Anwendung.
II. Da es sich bei der Realteilung um einen Sonderfall der Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG handelt, muss bei der echten Realteilung der Gewerbebetrieb und bei der unechten Realteilung der Anteil i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 EStG aufgegeben worden sein. Der BFH hat nun noch einmal betont, dass der Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft – anders als das Finanzamt meinte – bereits aufgegeben wird, wenn die Gesellschaft aufgelöst wird. Erforderlich ist für die Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG u.a. die Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit. Die Beendigung der Tätigkeit ist objektiv auf ein bestimmtes Betriebsvermögen und subjektiv auf ein bestimmtes Steuerrechtssubjekt bezogen (BFH, Urt. v. 22.10.2014 – X R 28/11 – BFH/NV 2015, 479, unter II.2.a aa). Dient das Betriebsvermögen nicht mehr der gewerblichen Tätigkeit desjenigen, dem der Betrieb zugerechnet wird, ist dessen Betrieb aufgegeben. Dies war bei der Auflösung der KG der Fall, da ihr Erwerbszweck entfiel und sie nur noch auf ihre Auseinandersetzung gerichtet war.
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Das Urteil macht zum einen deutlich, dass in der Auflösung einer Personengesellschaft keine Aufgabe von Gesellschafts- oder Mitunternehmeranteilen liegt. Denn es fehlt in einem solchen Fall an einer Person, bei der die Anteile am Gesellschaftsvermögen anwachsen könnten. Zum anderen ergibt sich aus der Entscheidung, dass für eine Aufgabe des Gewerbebetriebs als Voraussetzung für eine (echte) Realteilung die Art und Weise der Verteilung des Vermögens unbeachtlich ist. Selbst wenn ein Gesellschafter alle wesentlichen Betriebsgrundlagen erhält und die übrigen Gesellschafter nur unwesentliche, liegt eine Betriebsaufgabe vor, da das Betriebsvermögen in jedem Fall nicht mehr der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft dient. Allerdings muss jeder am Vermögen der Gesellschaft beteiligte Mitunternehmer Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens erhalten, ansonsten liegt keine (echte) Realteilung vor. Vermögensmäßig nicht an der Mitunternehmerschaft beteiligte Mitunternehmer müssen im Zuge der Auseinandersetzung hingegen vermögensmäßig nicht berücksichtigt werden.
II. Zu beachten ist, dass ein Gewinnfeststellungsbescheid nach der Rechtsprechung des BFH mehrere selbstständige und damit auch selbstständig anfechtbare Feststellungen enthält, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können (BFH, Urt. v. 28.05.2015 – IV R 26/12 – BStBl II 2015, 797, unter III.1.a, m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 36/2015 Anm. 3). Solche selbstständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns und dessen Verteilung, die Höhe des Sondergewinns, der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn des einzelnen Mitunternehmers sowie der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn auf der Ebene der Gesellschaft. Da das Finanzamt im Streitfall einen Veräußerungsgewinn für V festgestellt hatte, im Zuge der Realteilung jedoch allenfalls ein Aufgabegewinn der KG, der ggf. auf V zu verteilen gewesen wäre, entstehen konnte, war die vom Finanzamt getroffene Feststellung (zugunsten des V) aufzuheben. Wegen der unterschiedlichen Feststellungen war es nicht möglich, den festgestellten Veräußerungsgewinn des V lediglich anzupassen.