Nachfolgend ein Beitrag vom 22.5.2018 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 20/2018 Anm. 3
Leitsätze
1. Zwischen einem Steuerberater und einer von ihm als Alleingesellschafter beherrschten Kapitalgesellschaft wird eine Betriebsaufspaltung begründet, wenn der Kapitalgesellschaft ein für deren betriebliche Tätigkeit funktional wesentlicher Mandantenstamm zur Nutzung überlassen wird.
2. Die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung des Mandantenstamms können bei Fortführung einer steuerberatenden Einzelpraxis neben der Verpachtungstätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einem eigenständigen Besitzunternehmen erzielt werden. Dies gilt auch dann, wenn zwar sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen beiden Tätigkeiten bestehen, die Verflechtung aber nicht so eng ist, dass sich die Tätigkeiten gegenseitig unlösbar bedingen.
3. Wird der zur Nutzung überlassene Mandantenstamm an einen Dritten veräußert, tritt durch den Wegfall der sachlichen Verflechtung eine zwangsweise Betriebsaufgabe im Besitzunternehmen ein.
4. Die Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen wegen der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts kann nur dann gemäß § 174 Abs. 4 AO zum Anlass für die Aufhebung oder die Änderung eines weiteren Steuerbescheids genommen werden, wenn der zuerst geänderte Bescheid in seiner ursprünglichen Fassung objektiv rechtswidrig war.
A. Problemstellung
Der BFH wendet die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Begründung einer Betriebsaufspaltung durch Überlassung des Mandantenstamms durch einen freiberuflichen Steuerberater an eine GmbH als funktional wesentliche Betriebsgrundlage sowie zur Beendigung der Betriebsaufspaltung und infolgedessen der zwangsweisen Betriebsaufgabe durch Veräußerung des überlassenen Mandantenstamms an einen Dritten an.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war im Streitjahr 2003 als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig. Zudem war er im Jahr 2002 und im Streitjahr als alleiniger Gesellschafter u.a. an der A-GmbH beteiligt. Mit Vertrag vom 17.12.2001 brachte er das Anlagevermögen, die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie die Passiva seiner Einzelpraxis zum 31.12.2001 in die A-GmbH ein. Nach der Präambel des Einbringungs- und Nutzungsvertrags wollte der Kläger das betriebliche Anlage- und Umlaufvermögen der Einzelkanzlei auf die Gesellschaft zum Zweck der Neuordnung seines Einzelunternehmens übertragen und danach in seiner Einzelkanzlei nur noch höchstpersönliche Tätigkeiten ausüben. Nicht übertragen wurde der Mandantenstamm der Einzelkanzlei. Diesen verpachtete der Kläger mit dem Vertrag vom 17.12.2001 zum 01.01.2002 entgeltlich an die A-GmbH.
Die A-GmbH war aufgrund ihrer angespannten Liquiditätslage in der Folgezeit jedoch nicht in der Lage, die vereinbarte Pacht zu zahlen. Daher schloss der Kläger am 09.12.2002 mit der B-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter seinerzeit eine GbR, bestehend aus ihm und dem Steuerberater D, war, einen „Mandantenübertragungsvertrag“, wonach er der B-GmbH mit Wirkung zum 31.12.2002 den der A-GmbH überlassenen Mandantenstamm (mit Ausnahme der Wirtschaftsprüfungsmandate) für einen Kaufpreis von 344.330 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, demnach insgesamt zu einem Kaufpreis in Höhe von 399.422,80 Euro übertrug. Auf den Kaufpreis war ein Betrag von 90.000 Euro zum 31.01.2003 fällig. Der Restkaufpreis in Höhe von Euro 309.422,00 sollte in Form von Kaufpreisraten erfolgen. Die Höhe sollte sich einschließlich einer Verzinsung von 8% auf monatlich 3.842,74 Euro bei einer Laufzeit von insgesamt zehn Jahren belaufen.
Am 10.03.2003 schloss der Kläger mit der B-GmbH einen Darlehensvertrag. Die B-GmbH sollte als Darlehensgeberin dem Kläger einen Darlehensrahmen von 170.000 Euro zur Verfügung stellen, da die Liquiditätslage der B-GmbH nicht ausreiche, um die Verpflichtungen aus der Anzahlung (90.000 Euro zum 31.01.2003) und den ab Februar 2003 vereinbarten Monatsraten (3.842,74 Euro) aus dem Mandantenübertragungsvertrag zu erfüllen. Das Darlehen sollte vom Kläger ab dem 31.12.2005 in nicht näher bestimmten monatlichen Raten zurückgezahlt werden.
Mit Vertrag vom 30.06.2003 beteiligte sich der Kläger zum 01.07.2003 im Wege einer stillen Beteiligung am Geschäft der B-GmbH. Die zu leistende Einlage betrug 229.426,80 Euro. Sie wurde durch Umwandlung eines Teils der Nettoverbindlichkeit der B-GmbH gegenüber dem Kläger als geleistet angesehen. Ausweislich eines auf den 30.06.2004 datierten Gesellschafterbeschlusses der in der GbR verbundenen Gesellschafter der B-GmbH wurde die Kaufpreisforderung des Klägers aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH in Höhe von 120.000 Euro mit Wirkung zum 01.07.2004 in eine Kapitalrücklage der B-GmbH umgewandelt. Die B-GmbH wies eine entsprechende Kapitalrücklage bereits in ihrer Bilanz auf den 31.12.2003 aus.
In einer Betriebsprüfung kamen die Prüfer zu der Auffassung, durch die Verpachtung des Mandantenstamms an die A-GmbH sei eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Kläger und der A-GmbH begründet worden. Dies habe zu einem gewerblichen Besitzunternehmen neben dem freiberuflichen Einzelunternehmen geführt. Durch die Veräußerung des Mandantenstamms mit Vertrag vom 09.12.2002 an die B-GmbH zum 31.12.2002 sei diese Betriebsaufspaltung noch im Jahr 2002 zwangsweise beendet worden, da die sachliche Verflechtung entfallen sei. Im Veranlagungszeitraum 2002 sei ein Aufgabegewinn des Klägers gemäß § 16 Abs. 3 EStG in Höhe von 344.330 Euro zu erfassen. Ferner habe der Kläger in 2002 Pachteinnahmen in Höhe von 138.494 Euro anzusetzen. Der tatsächliche Zufluss des Kaufpreises im Jahre 2003 durch Auszahlung / Umwandlung der Forderung in eine typisch stille Beteiligung an der B-GmbH sei für die Versteuerung des Veräußerungsgewinnes entscheidungsunerheblich. Beim Veräußerungsgewinn sei nicht der Zeitpunkt des Zuflusses für die Bestimmung des Besteuerungszeitpunkts maßgeblich, sondern das Rechtsgeschäft. Eine im VZ 2003 bisher unterlassene und noch zu berücksichtigende Versteuerung der Gewinne aus dem Verkauf des Mandantenstamms unterbleibe, da die Beträge schon bei der Einkommensteuerveranlagung 2002 als Veräußerungsgewinne erfasst worden seien. Es ergingen entsprechend geänderte Bescheide.
Das Finanzgericht gab dem Antrag auf Aussetzung der geänderten Einkommensteuerfestsetzung für 2002 statt. Daraufhin erließ das Finanzamt am 12.05.2009 einen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002, in dem es den Veräußerungsgewinn von 344.330 Euro außer Ansatz ließ, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Einkünfte aus selbstständiger Arbeit umqualifizierte und herabsetzte. Zudem erging am 12.05.2009 im Einspruchsverfahren für 2003 ein gemäß „§ 174 AO“ erneut geänderter Einkommensteuerbescheid. Das Finanzamt legte der Besteuerung nunmehr Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 601.883 Euro zugrunde.
Während des Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nur auf 445.633 Euro herab. Es bezog die bisher angesetzten Pachterlöse von 156.250 Euro nicht mehr in die Besteuerung ein. Das FG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 03.12.2013 – 13 K 2560/12 E – EFG 2015, 1333).
Der BFH gab der Revision des Klägers statt. Der Ansatz eines Veräußerungsgewinns aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH in den Änderungsbescheiden für das Streitjahr vom 12.05.2009 und 14.06.2012 sei rechtswidrig. Der Kläger habe die Einkünfte aus der Veräußerung seines Mandantenstamms an die B-GmbH in Höhe von 399.422,80 Euro im Jahr 2002 erzielt. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 14.06.2012 sei wie beantragt zu ändern, indem die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit um den bislang erfassten Veräußerungsgewinn aus der Übertragung des Mandantenstamms auf die B-GmbH in Höhe von 399.422,80 Euro gemindert würden. Der Kläger habe den Veräußerungspreis aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH im Rahmen der Ermittlung eines Betriebsaufgabegewinns im Jahr 2002 und nicht im Streitjahr zu versteuern. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Zu Unrecht habe das Finanzgericht die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift in § 174 Abs. 4 AO als erfüllt angesehen. Der Kläger habe auf seinen Antrag hin eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2002 zu seinen Gunsten erreicht. Das Finanzamt habe am 12.05.2009 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO im Rahmen des dortigen Einspruchsverfahrens einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 erlassen, in dem es den Veräußerungsgewinn aus der Übertragung des Mandantenstamms außer Ansatz gelassen habe. Es habe im Anschluss daran in dem auf § 132 AO i.V.m. § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheid vom 12.05.2009 für das Streitjahr den Zufluss von Kaufpreiszahlungen aufgrund tatsächlicher Zahlungen der B-GmbH und der Verfügungen des Klägers über die Kaufpreisforderung gegenüber der B-GmbH bejaht. Dieser Bescheid sei durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 14.06.2012 wegen anderer Punkte zwar gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zugunsten des Klägers geändert worden, beinhalte aber unverändert den Ansatz eines Veräußerungsgewinns aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH im Streitjahr.
II. Finanzamt und Finanzgericht hätten aber rechtsfehlerhaft angenommen, die Besteuerung der Einkünfte aus der Veräußerung des Mandantenstamms an die B-GmbH im Jahr 2002 stelle eine „irrige Beurteilung“ i.S.d. § 174 Abs. 4 AO dar. Der zuerst geänderte Bescheid für 2002 war in seiner ursprünglichen Fassung nicht objektiv rechtswidrig (BFH, Urt. v. 04.03.2009 – I R 1/08 Rn. 54 – BStBl II 2010, 407, dazu Heger, jurisPR-SteuerR 41/2009 Anm. 6). Sei ein rechtmäßiger Bescheid zu Unrecht geändert worden, könne dieser Fehler nicht durch eine Folgeänderung gemäß § 174 Abs. 4 AO kompensiert werden (Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 174 Rn. 53).
III. Der Kläger habe den Veräußerungsgewinn aus der Übertragung des Mandantenstamms im Jahr 2002 und nicht im Streitjahr erzielt.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts sei zwischen dem Kläger und der A-GmbH zu Beginn des Jahres 2002 eine Betriebsaufspaltung entstanden gewesen. Die entgeltliche Nutzungsüberlassung des Mandantenstamms an die A-GmbH habe zum Entstehen einer sachlichen Verflechtung geführt, da der Mandantenstamm eine, wenn nicht gar die wesentliche Betriebsgrundlage einer Steuerberaterkanzlei sei (BFH, Beschl. v. 08.04.2011 – VIII B 116/10 – BFH/NV 2011, 1135). Zwischen dem Kläger und der A-GmbH habe auch eine personelle Verflechtung bestanden, da der Kläger im Jahr 2002 Alleingesellschafter der A-GmbH gewesen sei.
Das Besitzunternehmen des Klägers, zu dessen Betriebsvermögen der zur Nutzung überlassene Mandantenstamm und die Beteiligung des Klägers an der A-GmbH gehört hätten, habe nach den Umständen des Streitfalls mit der Begründung der Betriebsaufspaltung ein neben dem fortbestehenden freiberuflichen Einzelunternehmen des Klägers bestehendes gewerbliches Einzelunternehmen gebildet.
III. Die Einkünfte des Klägers aus der Vermietung des Mandantenstamms an die A-GmbH seien mangels einer insoweit ausgeübten leitenden und eigenverantwortlichen steuerberatenden Tätigkeit keine Einkünfte gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH, Beschl. v. 08.04.2011 – VIII B 116/10 – BFH/NV 2011, 1135 m.w.N.). Die gewerblichen Einkünfte aus der Überlassung des Mandantenstamms an die A-GmbH seien von den im freiberuflichen Einzelunternehmen erzielten Einkünften abgrenzbar und somit in einem eigenständigen gewerblichen Besitzunternehmen des Klägers erzielt worden. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine einheitliche gemischte Tätigkeit ohne Trennungsmöglichkeit.
IV. Die zwischen dem Kläger und der A-GmbH begründete Betriebsaufspaltung sei bereits zum 31.12.2002 wieder entfallen, da der Kläger den Mandantenstamm als einzige der A-GmbH zur Nutzung überlassene wesentliche Betriebsgrundlage an die B-GmbH veräußert habe. Hierdurch sei eine zwangsweise Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) des gewerblichen Besitzunternehmens des Klägers ausgelöst worden.
Der Kläger sei aufgrund der Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens zum 31.12.2002 verpflichtet gewesen, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EStG die Gewinnermittlungsart von der Einnahmenüberschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu wechseln und eine Schlussbilanz aufzustellen; zusätzlich habe er auch eine Aufgabebilanz aufzustellen gehabt (BFH, Urt. v. 05.05.2015 – X R 48/13 Rn. 35 ff. – BFH/NV 2015, 1358). Wegen der Beendigung der Betriebsaufspaltung (BFH, Urt. v. 22.10.2013 – X R 14/11 – BStBl II 2014, 158) am 31.12.2002 seien allerdings sowohl die Beendigung der laufenden Einkünfteerzielung als auch die Aufgabe des Betriebs auf diesen Stichtag gefallen (zur gestreckten Betriebsaufgabe BFH, Urt. v. 05.05.2015 – X R 48/13 Rn. 38 ff. – BFH/NV 2015, 1358; BFH, Urt. v. 19.05.2005 – IV R 17/02 – BStBl II 2005, 637).
V. In der Aufgabebilanz des Besitzunternehmens auf den 31.12.2002 habe der Kläger gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG den Veräußerungspreis aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH mit dem Nennwert in Höhe von 399.422,80 Euro zu erfassen gehabt. In der Aufgabebilanz seien die veräußerten und in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und die verbliebenen Schulden mit den Werten des § 16 Abs. 3 EStG anzusetzen (BFH, Urt. v. 05.05.2015 – X R 48/13 – BFH/NV 2015, 1358). Würden die dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe des Betriebs veräußert, so seien gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG die Veräußerungspreise anzusetzen.
Ein in der Aufgabebilanz gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG zu erfassender Veräußerungspreis – hier aus der Veräußerung des Mandantenstamms an die B-GmbH – werde grundsätzlich in vollem Umfang realisiert, unabhängig davon, ob der Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet sei und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließe (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 19.07.1993 – GrS 2/92 – BStBl II 1993, 897 m.w.N.; st. Rspr., vgl. BFH, Urt. v. 12.04.2016 – VIII R 39/13 Rn. 22 – BFH/NV 2016, 1430, dazu Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 51/2016 Anm. 4).
VI. Eine längerfristig gestundete Kaufpreisforderung sei bei der Ermittlung des Aufgabegewinns mit dem gemeinen Wert (§§ 2 bis 16 BewG in der im Streitjahr geltenden Fassung) im Zeitpunkt der Veräußerung der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter anzusetzen, da das Einkommensteuerrecht keine eigene Regelung für die Bewertung einer solchen Forderung enthalte (vgl. BFH, Urt. v. 12.10.2005 – VIII R 66/03 – BStBl II 2006, 307; Anm. Schuster, jurisPR-SteuerR 11/2006 Anm. 5). Gemeiner Wert einer gestundeten Kapitalforderung sei der Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG), wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründeten (vgl. zum Ganzen BFH, Urt. v. 19.01.1978 – IV R 61/73 – BStBl II 1978, 295, unter I.1.a).
Der Ansatz von Einkünften des Klägers aus der Veräußerung des Mandantenstamms in Höhe von 399.422,80 Euro im Streitjahr sei auf dieser Grundlage materiell-rechtlich unzutreffend, da der Veräußerungspreis trotz der langfristigen verzinslichen Stundung, die mit der B-GmbH vereinbart worden sei, zum Nennwert in der Aufgabebilanz auf den 31.12.2002 zu erfassen sei. Anhaltspunkte für besondere Umstände i.S. des § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG seien im Streitfall nicht erkennbar. Die Berücksichtigung besonderer Umstände i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 BewG bei Bewertung der Forderung setze voraus, dass sie der Kapitalforderung immanent seien (vgl. BFH, Urt. v. 12.05.2016 – II R 39/14 – BStBl II 2017, 63; Anm. Loose, jurisPR-SteuerR 1/2017 Anm. 5). Das treffe z.B. auf unverzinsliche, niedrig- oder hochverzinsliche Forderungen i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 BewG zu. Die Verzinsung einer gestundeten Forderung zum Zinssatz von 8% – wie im Streitfall – sei aber weder eine zu niedrige noch eine zu hohe Verzinsung im Sinne der Regelung (vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 07.12.2001 – BStBl I 2001, 1041, unter II.1.2).
Auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 BewG für eine Abzinsung der Forderung des Klägers gegen die B-GmbH in der Aufgabebilanz zum 31.12.2002 seien nicht gegeben, da für den Zeitraum der zinsfreien Stundung vom 31.12.2002 bis zum 31.01.2003 der in der Vorschrift verlangte Stundungszeitraum von mehr als einem Jahr nicht erreicht werde (vgl. dazu BFH, Urt. v. 21.10.1980 – VIII R 190/78 – BStBl II 1981, 160).
Schließlich sei für die Höhe der Einkünfte des Klägers im Streitjahr nicht erheblich, ob der Veräußerungspreis in der Aufgabebilanz zum 31.12.2002 mit einem zu schätzenden Abschlag vom Nennwert anzusetzen sein könnte, weil schon im Zeitpunkt der Veräußerung des Mandantenstamms an die B-GmbH habe ernsthaft zweifelhaft gewesen sein können, ob diese die Kaufpreisforderung würde erfüllen werden können. Bei der Schätzung des Wertes einer Kaufpreisforderung in der Aufgabebilanz könne zwar die spätere tatsächliche Entwicklung der Verhältnisse von Bedeutung sein, wenn sie die Verhältnisse aufhelle (BFH, Urt. v. 11.12.1990 – VIII R 37/88 – BFH/NV 1991, 516; BFH, Urt. v. 27.04.1993 – VIII R 27/92 – BStBl II 1994, 3; BFH, Urt. v. 19.01.1978 – IV R 61/73 – BStBl II 1978, 295). Wäre aber in der Aufgabebilanz zum 31.12.2002 zunächst ein Abschlag bei der Bewertung der Forderung des Klägers vorzunehmen, könnte die tatsächliche Vereinnahmung eines höheren Kaufpreises im Streitjahr – auf Grundlage der vom Finanzgericht festgestellten Zahlungen der B-GmbH und/oder der streitigen Verfügungen des Klägers über die Kaufpreisforderung – dennoch nicht zu Einkünften des Klägers im Streitjahr führen. Der tatsächlich vereinnahmte Mehrbetrag könnte nur auf den nachträglich zu erhöhenden Ansatz des Veräußerungspreises in der Aufgabebilanz zum 31.12.2002 zurückwirken.
C. Kontext der Entscheidung
I. Der für das Steuerrecht der Betriebsaufspaltung grundlegende Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage wird durch das Gesetz selbst nicht definiert. Es fehlt ebenso eine abschließende gesetzliche Aufzählung der Kriterien, die sich im Verlauf der Rechtsprechung entwickelt haben (Bode in Blümich, EStG, § 15 Rn. 622). Je nach Art des Wirtschaftsguts werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt, wobei stets auf den Einzelfall und das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen ist (Desens/Blischke in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. B 130). In der Rechtsprechung und im Schrifttum besteht im Wesentlichen darüber Einigkeit, dass die wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund funktionaler Betrachtungsweise zu bestimmen ist (BFH, Urt. v. 20.04.2004 – VIII R 13/03 – BFH/NV 2004, 1253; Gluth in Hermman/heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Anm. 811; Reiß in: Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 15 Rn. 97; Desens/Blischke in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. 130 m.w.N.). Veräußert ein Steuerberater wie im Streitfall der Kläger sein bewegliches Betriebsvermögen mit Ausnahme des Mandantenstamms, der in der Regel das werthaltigste Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens darstellt, an eine von ihm gegründete GmbH, so kann der Mandantenstamm Gegenstand eines Pachtvertrags zwischen Berater und Beratungs-GmbH sein (BFH, Beschl. v. 08.04.2011 – VIII B 116/10 Rn. 7 – BFH/NV 2011, 1135; Bitz in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15 Rn. 351).
II. Bei einem Einzelunternehmer, der sowohl als freiberuflich wie als gewerblich zu beurteilende Tätigkeiten ausübt, sind die Tätigkeiten soweit wie möglich getrennt zu betrachten und jeweils einer Einkunftsart zuzuordnen. Das gilt selbst dann, wenn zwischen den Tätigkeiten sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte bestehen, sofern die Verflechtung nicht so eng ist, dass sich die Tätigkeiten gegenseitig unlösbar bedingen (BFH, Urt. v. 08.10.2008 – VIII R 53/07 – BStBl II 2009, 143; Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 1/2009 Anm. 2). Sind allerdings beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit (gemischte Tätigkeit ohne Trennungsmöglichkeit) vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH, Beschl. v. 22.01.2009 – VIII B 153/07 Rn. 4 – BFH/NV 2009, 758). Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Freiberufler – wie im Streitfall der Kläger – gewerbliche Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung eines Mandantenstamms neben einer daneben fortgeführten freiberuflichen Tätigkeit erzielt (vgl. zutreffend FG München, Urt. v. 10.06.2010 – 8 K 460/10 – EFG 2011, 47; nachgehend BFH, Beschl. v. 08.04.2011 – VIII B 116/10 – BFH/NV 2011, 1135).
III. Entfallen die sachliche oder personelle Verflechtung, führt dies nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens (BFH, Urt. v. 08.02.2007 – IV R 65/01 Rn. 37 – BStBl II 2009, 699). Dies gilt auch, wenn wie im Streitfall sämtliche vom Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft verpachteten Wirtschaftsgüter veräußert und infolgedessen fortan keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr an die Betriebs-GmbH zur Nutzung überlassen werden (BFH, Urt. v. 22.10.2013 – X R 14/11 Rn. 25 – BStBl II 2014, 158 m.w.N.; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 11/2014 Anm. 2; s.a. BFH, Urt. v. 05.02.2014 – X R 22/12 Rn. 15 – BStBl II 2014, 388; Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 19/2014 Anm. 3).
D. Auswirkungen für die Praxis
Im Ergebnis erkennt der BFH die Möglichkeit an, dass ein Freiberufler den größten Teil seines Mandantenstamms unter Weiterführung seiner auf bestimmte Mandate reduzierten Einzelpraxis ausgliedert, ohne dass insoweit eine Betriebsaufgabe seiner gesamten Praxis ausgelöst wird. Außerdem bestätigt der BFH die bereits höchstrichterlich entschiedene Frage, dass § 174 Abs. 4 AO voraussetzt, dass der ursprünglich geänderte Bescheid objektiv rechtswidrig gewesen ist.
Schließlich stellt der BFH in Fortführung der Rechtsprechung fest, dass eine längerfristig gestundete Kaufpreisforderung bei der Ermittlung eines Aufgabegewinns mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Veräußerung der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter anzusetzen ist. Dabei ist gemeiner Wert einer gestundeten Kapitalforderung der Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG), sofern nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.
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